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sein gutes Bewenden. Denn auch dieser Geisterspuck, so lieblich er war, hatte doch das Eigne, daß die Erinnerung an Ort und Stelle sich augenblicklich wieder verwischte und der Knabe den halben Berg hätte umwühlen können, bis er wieder zu dem Schatze gelangt wäre. Endlich schien sich doch das Burgfräulein ihres Lieblings wieder zu erinnern; er hatte nämlich einen Schulpreis gewonnen, und hielt das schöne rotheingebundene Buch so lange nach dem Schlosse hin und las so fleißig darin, daß des Fräuleins Herz von Stein hätte seyn müssen, wenn es nicht bewegt worden wäre. Kurz, sie erschien auf einmal wieder, nickte sehr freundlich und winkte wieder auf die bezeichnete Stelle. Dem Knaben schien es, als fielen ihm die Schuppen von den Augen; er sah nun wieder, was er seither nicht mehr gesehen, übergab dem Hund die Wache über die Heerde, nahm den schönen Schulpreis unter seinen Arm, zog höflich den Hut ab und näherte sich unter vielen ehrfurchtsvollen Bücklingen wieder der Stelle. Richtig, auch jezt ging er nicht leer aus, vielmehr war der ganze Boden mit Silberstücken wie übersäet. Er that also einen tüchtigen Griff und wollte noch einen zweiten thun, da fing plötzlich sein Hund an zu bellen; „Gewiß,“ dachte er, „ist bei der Heerde etwas vorgegangen, ich darf mich nicht langer aufhalten!“ und mit diesem Gedanken, und nachdem er dem Fräulein noch eine tiefe Verbeugung gemacht hatte, eilte er davon. Er sah nur noch, wie sie neuerdings die zwei Finger, fast ängstlich bittend, zum Munde führte, und rief vor sich hin: „Weiß schon, keiner Seele ein Wörtchen!“ Als er bei der Heerde ankam, lag diese in größter Ruhe beisammen und es schien, als hätte der Hund nur aus Muthwillen eine kleine Stimmübung vorgenommen, vielleicht auch einen Bekannten zu grüßen, der unten am Berge neben dem Führer hinter einer Ziegenheerde bedächtig hertrabte. Zum erstenmal wurde der Knabe über seinen Spitz recht mißmuthig, und wies dessen Liebkosungen mit einem derben Stoße zurück.

Jetzt zählte er sein Geld; es waren zwölf Stücke, für die er wenigstens fünf oder sechs Thaler erwarten durfte. Bald verschwand deßhalb sein Unmuth und machte einer um so größeren Munterkeit Platz. Auch Spitz wurde zu Ehren gezogen und nahm sein Unterkommando bei der Heerde wieder ein, welche

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_402.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)