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der Jäger, und aus dem Gebüsche reckte sich der schwarze, mit langen spitzen Zähnen besetzte Rachen eines Ungeheuers mit fürchterlichem Gebrülle, welches das im Berge noch überschallte, dem Knaben entgegen. Da sank dieser bewußtslos zu Boden; die vier Stiere rißen sich los und gingen durch, und noch lange scholl rings in Berg und Thal umher das entsetzliche Toben und Brausen, Donnern und Blitzen, aus dem Kandel und vom Himmel her.

Als der Knabe nach ohngefähr einer Stunde wieder zu sich selbst kam, und mit angstverstörtem Blicke sich umsah, fand er Alles in der Runde wieder ganz ruhig; die Morgensonne glitzerte durch die grünen Gebüsche, die verschüchterten Vögel kehrten zu ihren Nestern zurück und fingen wieder ruhig zu singen an. Was aber das Sonderbarste war: ein helles Bächlein rieselte durch das Gestein dahin, das doch an jener Stelle nie zuvor sichtbar gewesen war. Der Knabe wußte nicht, ob er wache oder träume und rieb sich die Augen, um deutlicher zu sehen. Er blickte jedoch nur schüchtern und verstohlen zur Seite hinüber, wo das schreckliche Unthier auf ihn zugefahren war; aber jetzt regte sich auch nicht ein Blättchen, nur ein fast betäubender Schwefelgeruch wehte herüber. Wie staunte jedoch der Knabe, als er endlich zum Felsen selbst hinaufblickte und dort aus der nackten verbrannten Wand eine Quelle hervorsprudeln sah, so stark, als wenn zwanzig bis dreißig Brunnenröhren zusammen ihr Wasser hervortrieben. Wie groß aber war erst seine Freude, als der Vogt des Dorfes Siensbach zufällig herauskam, vor Entzücken die Hände über dem Kopfe zusammenschlug, ihm um den Hals fiel und sagte, daß jetzt der höchste Wunsch seines Dorfes erfüllt sey, indem es jetzt, was es bisher schwer entbehren hatte müssen, eine gesunde frische Quelle sowohl zum Trinken als zum Bewässern der Wiesen besäße. Zugleich aber machte ihn der Alte, nachdem ihm der Knabe sein schreckliches Abenteuer mit dem Jäger berichtet hatte, auf die entsetzliche Gefahr aufmerksam, in dem sein Lichtsinn sowohl ihn selbst als das ganze Thal hätte stürzen können. „Hättest du, als du dein Stiergespann mit der Geißel antreiben wolltest, den Felsen hier hinweg zu ziehen, nicht dabei gerufen: „In Gottes Namen denn!“ so wäre dieser Block, der nichts anderes ist, als das Eingangsthor

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_346.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)