Seite:Badisches Sagenbuch 318.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

rühmte ein junges schönes Mädchen seine Unerschrockenheit und machte sich, als Zweifel dagegen laut wurden, anheischig, um Mitternacht, ganz allein, auf Enderlin’s Grab einen Pfahl einzuschlagen. Sie hielt Wort und schlug den Pfahl wirklich ein. Als sie aber wieder fort wollte, fühlte sie sich plötzlich durch Etwas zurückgehalten, erschrack auf’s Heftigste, glaubte, Enderlin’s Geist habe sie gepackt und schrie fürchterlich um Hülfe. Zwei Jünglinge, welche dem Mädchen nachgeschlichen waren, um sie zu beobachten, eilten herbei, und fanden, daß der Pfahl, ihr unbewußt, durch die Schürze in den Boden getrieben war, und machten sie alsbald los; allein nach drei Tagen büßte sie ihre Vermessenheit, in Folge eines heftigen Fiebers, mit dem Leben.

Julius Leichtlin.
(S. Freiburger Wochenblätter 1819. S. 947.)


Die Geschichte von der Frau Demuth und von der Frau Hurrle.

Es ist schon manches Jahr her, und die meisten von unsern geneigten Lesern waren noch gar nicht auf der Welt, da lebte im Simonswälder Thal ein gar schönes und junges Maidli, dem Jedermann gern zu gefallen ging, und das von allen Jungfern und Weibern ihres Orts lieb und werth gehalten wurde, wenn gleich Alle das Jüngferle beneideten um seiner Schönheit willen, und wegen der Manier, womit sie allen Leuten sich angenehm zu machen verstand. Das ist auch keine kleine Kunst. ’s ist Manche roth und weiß und fein von Haut und goldig von Haaren, und sie weiß das Alles nicht zu gebrauchen, sondern trappelt und pappelt wie eine Gans, und ihre blauen Augen sind nicht gescheidter als die einer Kuh, die ja auch blaue Augen führt; und was sie redet, weiß Gott, bringt dümmer der Spatz auf’m Dach nicht hervor. – Und die schöne Jungfer schrieb sich „Demuth“. Der Götti, der ihr den Namen in der heiligen Taufe beigelegt, hatte einen guten Merker gehabt. Die Jungfer war wie ihr Name: fromm, bescheiden, freundlich, demüthig, kurz: von Herzen gut durch und durch,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_318.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)