Seite:Badisches Sagenbuch 304.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

aber sein Wohlleben keinen Augenblick. Seine Hauptleute und Soldaten zechten und schmaußten wie an festlichen Tagen auf Kosten der Stadt. Er selbst aber hielt köstliche Tafel, und nachdem er durch erhitzende Speisen und Getränke, wie es am Burgundischen Hofe üblich war, seine Sinnenlust gereizt hatte, verführte und entehrte der rohe Tyrann die schöne Tochter eines ehrbaren Bürgers.

Nun war die Verzweiflung der Bürger auf den höchsten Grad gestiegen. Der Vater der Geschändeten ging mit gepreßtem Herzen zu Heinrich Vögelin, einem muthigen wackern Bürger, und klagte sein Elend. Dieser, aufgebracht über solche Frevelthat, und da er noch hörte, daß auch sein Bruder gefangen wäre, weil er die Waffen nicht ablegen wollte, verabredete sogleich einen Aufstand mit den Bürgern, welche mit ihrem Banner auf dem Platze standen und entweder des Landvogts Befehle, oder sonst ein Zeichen zum Aufruhr erwarteten. Hierauf begab sich Vögelin nebst einigen seiner Freunde zu dem Tyrannen selbst und forderte die Loslassung seines Bruders. Peter von Hagenbach war überrascht, eine so kräftige Sprache von Leuten zu hören, die er bisher nur als seine Sclaven betrachtet hatte. Mit Verachtung schlug er Vögelins Gesuch ab, weil der Gefangene keine Reue zeige; aber der muthige Bürger drang ergrimmt auf ihn ein und im Getümmel, wo Wehr und Angriff wechselten, wurde der Landvogt zur Treppe hinabgeworfen. Er, kaum auf der freien Straße, lief sogleich nach dem Hauptplatze, um Hülfe bei seinen Soldaten zu suchen; allein die Bürger, nur auf diesen Augenblick harrend, umringten, entwaffneten ihn und führten ihn gefangen erst vor den Bürgermeister, dann gefesselt in den Thurm.

Kaum war der Sturz und die Haft des Tyrannen in der Stadt und dem Lande bekannt, als allgemeiner Aufstand und Jubel das Volk ergriff. Die Burgundischen Soldaten, nun ohne Oberhaupt und der Landessprache unkundig, retteten sich durch Flucht. Oesterreicher, Schweizer und Teutsche sammelten sich um Freiburg, um Basel, im Elsaß und in Schwaben. Der Herzog Siegismund kam mit 3000 Pferden gleichsam im Triumphe in seine Länder angezogen und da die Befreiung gerade am Osterfeste vorgefallen war, strömte das Volk aus allen

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_304.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)