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vor elf Monaten aber den Vater verloren hatten. Finster und in sich gekehrt schritt Ruprecht den Laubengang im Garten, der auf der westlichen Seite das Schloßgebäude umgab, auf und ab, indessen die Schwester ihre Lieblinge, die Aurikeln, mit Wasser begoß. Der Junge Mann sah oft auf den Pfad hinüber, der von Norden herab in die Burg führte, und blieb zuweilen stehen, als ob seinen Blicken Jemand begegnen müßte. Dann wandte er sich etwas barsch zu seiner Schwester: „Heute kommt der Steinegger, der Bruno; du wirst Sorge tragen für ein ordentliches Abendessen. Ich wünsche aber, daß du dich gegen ihn beträgst, wie es einem Schwesterlein geziemt, wenn ein Freund des Bruders das Haus besucht. Längst schon hätt’ ich es gerne gesehen, du wärest dem Freunde um etwas geneigter begegnet. Ohne Zweifel ist dir seine Werbung um deine Hand kein Geheimniß mehr, und ich bin’s zufrieden.“

Mit einem Blick, aus welchem Schmerz und Angst hervorleuchteten, schaute Adelgunde zu ihrem Bruder auf: „Fordere Alles, gib mir den Tod – nur nicht einen Gemahl, den ich nicht lieben kann. O Ruprecht, gedenke der schönen, glücklichen Tage unserer Jugend! Hat mich deine Liebe nur darum gerettet, als ich einst schwindelnd in unsres Brunnens furchtbare Tiefe zu stürzen drohte, – um mir das Schrecklichste zu bereiten: das Leben mit einem Manne zu theilen, den keine That ehrt.“

„Bruno von Steinegg ist ein adelig Blut, und hält Freundschaft mit mir!“ sagte ungeduldig und schneidend der Bruder.

Indem er sich umdrehte, ward er einen Reiter gewahr, der den Waldpfad herab auf das Schloß zu ritt. Er eilte an die Zugbrücke, und empfing mit freudigen Worten und Gebärden seinen Freund von Steinegg.

Die Beiden stiegen Arm in Arm die steinerne Wendeltreppe hinauf, und setzten sich oben in ein Gemach um einen großen Holztisch, während ein Diener wohlgefüllte Pokale Markgräfler vor ihnen aufpflanzte. Der Bärenfels verschloß vorsichtig die Thüre, damit die geheime Berathung, die nach allen Anzeigen gepflogen werden sollte, durch keinen Unberufenen gestört würde.

Der Abend war indessen hereingebrochen und den westlichen Horizont umsäumte mit lieblichen Gestalten das Abendroth. Adelgunde befand sich in der Küche, beschäftigt mit der Zurichtung

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_227.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)