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aus mehreren Haupthöhlen, Grotten und Seitengängen voll durcheinandergestürzter Felsenmassen; Wände und Decken aber sind aus Stalaktiten (Tropfsteinen) gebildet, welche die abenteuerlichsten Fantasiespiele der Natur vorstellen. Einer dieser Stalaktiten, der Mantel genannt, soll bei 6 Centner schwer seyn; andere bilden an einer Seitenwand die sogenannte Orgel und auf einer andern Wand sind die Tropfsteine so gruppirt, daß sie wie eine Kanzel aussehen. In der Tiefe rauscht ein starker Bach durch die Haupthöhlen; eine entferntere Höhle führt zu einem kleinen unterirdischen See, welcher jedes weitere Vordringen hemmt. Die interessanteste Höhle ist diejenige, welche die, gleichfalls aus Stalaktiten gebildete „Fürstengruft“ und den „Sarg“ enthält.

Die Erdmannshöhle war in früheren Zeiten wenig bekannt; erst zu Anfange dieses Jahrhunderts wurde sie genauer untersucht und zugänglich gemacht, so daß im Jahre 1811 die Frau Großherzogin Stephanie dieselbe in Augenschein nehmen konnte. Die ganze Gegend von Hasel scheint von unterirdischen Gängen durchzogen zu seyn; so findet sich z. B. selbst unter dem Pfarrhause des Ortes eine weite, geräumige Höhle, die sich unter dem Haselbache bis zur Kirche hinzieht. Einsenkungen des Bodens zeugen an verschiedenen Punkten dieser Gegend vom Daseyn vieler derartiger Höhlen, wie überhaupt die Bäche zwischen der Wehra und Wiese von Hasel an bis zum Rheine in unterirdischer Verbindung zu stehen scheinen. Auch der Bach, welcher die Erdmannshöhle durchfließt, hat keine sichtbare Ausmündung, sondern scheint unter der Erde bis zum Rheine fortzugehen. Ebenso mag der Eichener See (siehe den Artikel) mit dieser Höhle in geheimem Zusammenhange stehen. Eine Beschreibung der Erdmannshöhle mit sechs Kupferstichen wurde von Landkommissär Lembke, (Basel, 1803, Fol.) herausgegeben.

Die Einbildungskraft des Volkes, überall leicht angeregt zu eigenen abenteuerlichen Schöpfungen, wo die Natur in kühnen Fantasiespielen sich ergangen, hat auch dieses merkwürdige Schachtlabyrinth mit, denselben entsprechenden Wesen bevölkert, nämlich mit dem zwerghaften Gnomengeschlechte, welches fast in allen Hauptgebirgen, wie z. B. im Riesengebirge, im Harz etc.

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_222.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)