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Burg Rötteln.

Am breiten Ausgang des Thals, zwischen der Kander und Wiese, prangt auf waldigem Hügel die Burg Rötteln hervor, weithin die Gegend beherrschend und ihr erster Schmuck. Nur wenige Schlösser am Rheinstrome können sich, was die Schönheit der Lage betrifft, mit dem Rötteler messen. Ehrwürdig durch Alter und Geschichte schaut von seinen Zinnen ein Stück des Mittelalters, wohl ein Jahrtausend groß, herab ins Thal, vergraben an seinem Ursprung im Staub der Documente; die frühere Zeit bis hinauf ins Grau des Alterthums mißt hier kein Auge, ihrer Thaten auch noch so kundig. Wer nur darauf verfallen konnte, dies Schloß, das an jedem Stein den teutschen Ursprung verräth, oder auch nur den wohlerhaltenen äußersten Thurm, der gerade am lautesten gegen das Römerthum zeugt, in die Zeit des beherrschenden Alterthums hinaufrücken zu wollen! An Thürmen und Thoren, an Fensternischen, Einfriedigungen u. s. w. sieht man unschwer, sowie an der unterscheidenden Vorburg, die Wahrzeichen des teutschen Ritterthums, das einst Tage hohen Glanzes hier verlebte. Längst ist die goldene Pracht zerstoben, die Zinnen sind eingefallen, die Säle sind Wohnstätten des kriechenden Gewürms geworden, und im Burghof wächst Gras für meckernde Ziegen. Von hier aus genießt der Beschauer einen reizvollen Ausblick. Durch das Thalgelände zieht sich ein bunter Wechsel von Dörfern und Weilern, von schattigen Höhen und fruchtbaren Feldern hin, ein lachendes Landschaftsbild, von einem engen aber goldenen Rahmen eingefaßt. Links haftet der Blick über Schopfheim hinaus an den Riesen des Schwarzwalds; rechts ab fällt das Auge über Lörrach mit seiner weinhügeligen Umgebung, nachdem die altehrwürdige Schweizerstadt voll Reichthum und aristokratischen Stolzes sich hinter des Thales weitauslaufenden Armen vornehm der Perspective entzogen, auf die Bergreihe des Jura hin, die sich hereinzieht durch die Schweizergefilde, und das nahe baselische Landschaftsgebiet, reich von Burgen behangen und mit lieblichen Thälern geschmückt, quer durchwindet. Dem geschärften Auge liegen selbst die mit ewigem Eise bepanzerten Gletscher, wenn die Strahlen der Sonne den hüllenden Wolkenschleier

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_197.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)