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Sieh! und aus dem Grabe kamen
Weiße Händ’ und Haupt und Rücken.

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Und als ob des Herrn Posaunen

Zum Gerichte schon gerufen,
Steigt der Leichnam sonder Staunen,
Starr empor des Grabes Stufen.
 
Und ihm faßt die kalten Hände

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Fridolin, fremd allem Schrecken,

Steigt mit ihm die Felsenwände
Auf, bis an der Gletscher Decken.

Durch das Hochgebirge schreitet
Der Lebend’ge mit der Leiche,

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Und die Nacht den Mantel breitet

Um das Paar, das geistergleiche.

Wie der Morgen kaum sich hebet,
Steigen sie vom Felsgesteine,
Und der Senne sieht’s und bebet,

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Und ihm geht’s durch Mark und Beine.


Aber Landolf im Gerichte
Sitzt zu Rankwil ohne Zagen,
Mit dem ersten Morgenlichte
Hat den Stuhl er aufgeschlagen.

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Schöppen zwölf, des Rechtes Hüter,

Sitzen um ihn her, zu sprechen:
Jetzt erhält er doch die Güter,
Kein Verblichner kann sich rächen!

Horch! da pocht es an der Pforte,

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Wie von eines Todten Knochen,

Leis und scharf, und hohle Worte
Werden draußen schon gesprochen.

Durch die Thüre kommt geschritten
Fridolin mit seiner Leiche;

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_170.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)