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einer vom Rheine umflossenen Insel, sey das Ziel seines apostolischen Wanderlebens. Unter lautem Wehklagen der Bewohner von Poitiers, welche in ihm ihren Vater zu verlieren glaubten, verließ Fridolin die theure Stadt, und ging zuerst wieder zum König – (wahrscheinlich nicht mehr Chlodowig, welcher 512 starb, sondern zu dessen Nachfolger in Austrasien), und erhielt von ihm die Erlaubniß, auf der noch unbekannten Insel, wenn er sie aufgefunden habe, nach Gutdünken zu schalten. Fridolin zog Jahre lang umher, bevor er seine Insel fand: durch die Moselgegenden, durch die Vogesen, dann durch Burgund, die Schweiz, bis nach Chur, wo ein Bischof war. In allen diesen Gegenden hielt er sich an verschiedenen Orten eine Zeitlang auf, um Hilariuskirchen zu errichten, und fragte die Leute, ob sie von keiner Insel wüßten, die so aussehe, wie er im Traume sie gesehen habe? In Chur gab man ihm eine Richtung an, in der er fortwandern solle, dann werde er sie finden. Nach langem Umherirren gelangte Fridolin an den Rhein, und die ersehnte Insel lag vor ihm. Wie groß war seine Freude! Aber sie sollte nicht lange dauern. Als er froh und in Plane vertieft darauf herumwandelte, kamen die Bewohner des Rheinufers mit Prügeln daher, und sagten ihn unter Schlägen und Scheltworten wieder fort; sie hielten ihn für einen Dieb, der ihre Heerden, welche auf der Insel weideten, stehlen wollte. Fridolin wanderte noch einmal zum Frankenkönig und erzählte, wie es ihm ergangen sey. Der König ließ ihm nun eine förmliche Schenkungsurkunde ausfertigen, nach welcher die Insel ihm eigen gehören und Jeder mit dem Tode bestraft werden solle, der ihm feindlich in den Weg trete. Jetzt setzte sich Fridolin mit seinen Genossen ungehindert in den Besitz des Eilandes. Er nahm, bis dasselbe urbar gemacht war, seine Wohnung bei einem christlichen Landmanne an dem Rheinufer, Namens Wocher, dessen Sohn und Tochter er taufte. Die Tochter wurde später die erste Vorsteherin des Frauenklosters. Nicht lange hernach starb sein Schutzherr, der Frankenkönig, und als dieß in der Gegend bekannt ward, empörten sich die heidnischen Landleute abermals gegen Fridolin. Da, erzählt nun die Legende, habe Fridolin durch ein mächtiges Wunder dem Rheine einen andern Lauf gegeben, was einen so mächtigen Eindruck

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_163.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)