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Vernichtung herbeiführen, noch Jahrhunderte allen zerstörenden Natureinflüssen trotzen wird.

Von diesem einstigen Schlosse hat man folgende Sage:

Die Bewohner dieser in frühern Zeiten von dichten Waldungen umgebenen Burg waren Raubritter, die, begünstigt durch ihre Lage und so nahe dem durch Verkehr belebten Rheinthale, ein sträfliches, jedoch für sie einträgliches Gewerbe trieben. Einer derselben besaß eine Tochter, die allgemein als Musterbild weiblicher Vollkommenheit sowohl an Geist als Körper galt, ohne daß jedoch Bewerber um sie sich eingefunden und anzumelden getraut hätten, weil sie der Habsucht des Vaters willkommene Beute geworden wären. – Auch der Sohn eines angesehenen, entfernter wohnenden Ritters hörte von der schönen Tochter des Wegelagerers im Murgthale und faßte den Entschluß, verkleidet und als armer Fremdling dieselbe zu sehen und kennen zu lernen. Es gelang ihm, in das Schloß aufgenommen zu werden und einige Tage Aufenthalt darin zu erlangen, während welcher Zeit er Gelegenheit fand, des Schloßbewohners einzige Tochter zu sehen, ja sie einmal selbst ohne Zeugen zu sprechen, wobei er sich zu erkennen gab und, hingerissen von ihrer Schönheit und Huld, ihr offen seine innige Liebe gestand. Auch die Jungfrau schien für den schlanken kräftigen Jüngling Zuneigung zu fühlen und beide gelobten sich unverbrüchliche Treue. Der junge Ritter ging wieder in seine Heimath zurück und machte hierauf verschiedene Kriegszüge mit, nach deren Beendigung ihn eine unwiderstehliche Sehnsucht nach der holden Bewohnerin des Schlosses Wieladingen ergriff. Er gelobte eine wohlthätige Stiftung zu gründen, wenn er die Geliebte seines Herzens noch gesund und unwandelbar in ihrer Treue finden würde, doch als er daselbst ankam, fand er das Schloß zerstört, als gerechte Strafe für die verübten Raub- und Gewaltthaten des zügellosen Bewohners desselben; weil es, wie man ihm erzählte, der Ritter nicht habe übergeben wollen, sei es zuletzt angezündet worden, wobei sämmtliche Bewohner, darunter auch die Tochter, theils durch das Schwert, theils in den Flammen ihren Tod gefunden. Als der junge Ritter den Tod seiner Geliebten vernahm, rannte er im ersten Anfall der Verzweiflung noch einmal zum zerstörten Schlosse zurück

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_153.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)