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Rheinthal.




Der Gnom des Rheinfalls.

Durch die Felsen, wiederhallend,
Strömt hinab der wilde Strom
Und auf weißen Wogen wallend
Singt sein Lied des Rheinfalls Gnom.

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Horchend von des Ufers Höhe

Ward’s davon dem Mädchen wehe,
Dem es süß im Herzen glomm.

Zaubervoll sind seine Lieder,
Die zu Grund der Seele geh’n;

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Sehnsuchtsvoll schaut sie hernieder,

Weithin ihre Blicke spähn’n.
Blühend selbst im Jugendglanze,
Windet Blumen die zum Kranze,
Daß damit ihr Lieb sie krön’.

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Mahnend läßt der Gnom sich hören:

„Hast du Lilien nicht zur Hand?
Lilien, so die Todten ehren
In dem fernen, dunkeln Land?
Sie vergiß nicht einzuweben,

20
Weißt du nicht?: ein theures Leben

Ist der Erde bald entwandt.“

Kaum ist dieses Wort gespendet,
Schwimmt ein Leichnam auf der Fluth; –
Mädchens Kranz bleibt unvollendet,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_109.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)