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er aber in den Eichenforst kam, nahe bei des heiligen Ratolphs Zelle (dem heutigen Ratolphszell), da schritt aus dem Dickicht ein ehrwürdiger Waldbruder mit langem silberweißem Barte hervor und bat ihn gar flehentlich, ihm doch in seine Hütte zu folgen, da er ihm wichtige Dinge zu eröffnen habe, die außer ihm keines Menschen Ohr vernehmen dürfe. Werner stutzte Anfangs ob dieser sonderbaren Zumuthung und die Sache schien ihm bedenklich. Aber der Waldbruder flehte immer dringender und warf sich endlich auf die Kniee vor ihm nieder mit den Worten: „Ich stehe nicht eher von hier auf, bis Ihr mir zu folgen versprecht! Euer Leben hängt daran und Ihr werdet’s mir danken!“ Werner ließ sich erbitten, obwohl ihn seine Begleiter warnten und hieß diese nach Schloß Homburg vorausgehen, indessen er dem Waldbruder folgte. Als Beide aber in die Tiefe des Waldes gekommen waren, riß der heuchlerische Waldbruder den arglosen Werner unversehens zu Boden und stieß in ein Hüfthorn. Aus diesen Ruf stürzte Ritter Wolf mit seinen Begleitern aus einem Verstecke hervor, ließ seinen Bruder festpacken und tauchte ihm seinen Dolch in die Brust. Kaum war aber diese gräßliche That vollbracht, so überfiel den Knecht, welcher in der Hülle als Einsiedler den armen Werner in den Wald gelockt hatte, ein plötzlicher Wahnsinn, so daß er, wie von unsichtbaren Geistern gehetzt, umherrannte und das schwarze Verbrechen überallhin verkündete. Allgemein war das Entsetzen, aber Niemand hatte Muth genug, gegen den gefürchteten Ritter von Hohenkrähen aufzustehen, bis endlich der edle Ritter Otto von Bodmann seine Bestrafung übernahm. Er versammelte seine Vasallen und schickte an Wolf einen förmlichen Fehdebrief. Bald kam es zu einem blutigen Gefechte, in dem lange der Sieg zweifelhaft blieb. Zuletzt gelang es doch dem Ritter von Bodmann, den Ritter Wolf vom Pferde zu rennen, worauf er ihm das Schwert in die Brust stieß, so daß der Verbrecher unter lauten Verwünschungen die tückevolle Seele aushauchte. Unmittelbar darnach wurde auch dessen Felsennest zerstört, daß kein Stein auf dem anderen blieb. Bald darauf fand Einer von Otto’s Knechten einen Dolch auf der Burgflur. Auf dessen Klinge waren die Worte eingegraben: „Dem Rächer von den Unbekannten!“ Um den Griff war ein Briefchen gebunden,

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_098.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)