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Da traf sich’s einmal, als er fest schlief, daß ein trinklustiger Mönch den Schlüssel ihm vom Gürtel löste und abdrückte in gestohlenes Kirchenwachs. Darnach machte er einen Hacken und schlich nach der Mette oft in den großen Keller, während seine Mitbrüder das harte Lager suchten, und erlabte sich an Gott Bacchus Gaben. –

Doch einmal fand er, vielleicht weil der Großkellner Argwohn hatte, den Hahnen durch einen Zapfen ersetzt, den er nicht drehen konnte. Nahm eine Leiter, stieg zu dem Faß hinan und siehe! – aus dem ungeheuren Spundloche war die Thüre nur angelehnt. Oeffnete sie und zog mit einem Heber so viel des köstlichen Nasses in sich, daß ihm schwindlich wurde, stürzte hinab und fand dort sein Grab. Nach einigen Tagen verwundert sich der Pater Großkellner über das offene Spundloch; dachte aber kaum mehr an den Mönch, weil das ganze Convent ihn entsprungen wähnte. Doch als er mit der Stange sondirte, um zu sehen, wie viel noch Wein in dem Fasse, stößt er auf den weichen Körper des Mönchs. Da erfaßt der Geizteufel seine Seele, und damit nicht das schöne große Faß als verunreinigt ausgeschüttet werde, zog er den ersoffenen Trunkenbold aus demselben und begrub ihn heimlich. Erst auf dem Sterbebette gestand er seine Schuld, bevor er aber die Stelle bezeichnen konnte, wo er ihn vergraben, lähmte der Tod seine Zunge. Und ruhelos wandert er seitdem dort im Keller herum, bis ein Zufall des Mönches Grab entdeckt, sund ihm ein ehrliches Begräbniß wird. –

Die Sage vom ertrunkenen Mönche ist sogar in Schriften des siebenzehnten Jahrhunderts aufgenommen. Der Verfasser des „Apiarium Salemitanum“ (um 1710 in Prag erschienen) stellt sie aus Gründen a priori in Abrede und meint, sie sei aus dem Scherz entstanden, daß vielleicht der Spunden die Gestalt eines Mönches gehabt und in das Faß gefallen sey. Freilich läßt sich dagegen einwenden, es dürfte leichter seyn, daß ein Mönch durch ein großes Loch hinabstürze, als der Spunden in sein eigenes Faß.

(Originalmittheilung von Herrn Gymnasiumsdirector Dr. Fickler in Donaueschingen. Diese tragi-komische Sage folgt hier nun auch in metrischer Fassung.)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_086.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)