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Da schließt sie besonnen in’s eherne Haus
Das Zweiglein, das letzte, und schleudert’s hinaus.

Es rollet der Kessel den Berg hinab;

50
O Kind, ist’s dein Wieglein, ist’s nicht dein Grab?

Die Dienerin folgt nur mit Mutterblick
Und sinkt in die Flammen des Hauses zurück. –

In Trümmern die Burg lag ein manches Jahr,
Bis daß das Knäblein erwachsen war;

55
Da baute stolz unter Schutt und Graus

Der letzte Bodmann sein steinernes Haus.

Der letzte Bodmann der Erste ward,
Er zeugte Söhne von edler Art,
Und liebliche Töchter und Enkel so hold,

60
Die Flamm’ hat im Kessel geläutert das Gold.


Und Vater und Mutter beim fröhlichen Mahl,
Und Kinder noch heut in dem festlichen Saal,
Sie sitzen, sie trinken vom Königswein,
Sie schenken dem Wandrer ihn freundlich ein.

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Im Kessel, aus welchem erblühte das Haus,

Im Kessel soll er ihn trinken aus,
Er soll den versunkenen Ahnen mit Fug,
Soll der Amme gedenken bei jedem Zug. –

Mein Lied ist gesungen, wie wird mir zu Muth?

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Ich träume von Flammen, ich spüre die Gluth,

Es drehet der Kessel, der eherne sich,
Wald, Himmel und Wasser umtaumeln mich.

Doch heißet im Kopf mich der Königswein
Getrost bei dem Wunder, dem seltsamen, seyn;

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Er rettet mich glücklich durch jede Gefahr,

Der Kessel steht stille, mein Auge wird klar;

Es schauet die Burg und den See und das Land,
Gott hüte das Haus und Geschlecht vor Brand!
Und will er Flammen ja senden hinein,

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So seyen es Ströme von Königswein!
Gustav Schwab.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_077.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)