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Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38)

durch Erforschung der Parteien herauszubringen, wer Recht und wer Unrecht hatte, so daß das Urtheil von ihm nie verkehrt, sondern gerecht ausging. Denn gleich Einem, vor dessen Bewußtsein die Gedanken der Menschen offenkundig sind, stand er da, ihre Geheimnisse untersuchend, um die Wahrheit herauszufinden. Gott hatte ihm, wie dem Salomo, eine überaus große Weisheit, Einsicht und Geistesgröße verliehen. Das Maß seiner Gerechtigkeitsliebe kannte keine Grenzen, wenn sie sich mit so gewaltiger Wucht gegen jene Elenden erhob, welche sich in ihrem Übermuthe erfrechten, die Armen zu bedrängen. Ebenso unermeßlich war auch der Reichthum seiner Milde; wie überströmend ergoß sie sich nicht auf die leiblich und geistlich Armen, welche sich durch ihre Geduld in dem Schmelztiegel der Armuth bewährt hatten! In seiner Gerechtigkeit wie in seiner Barmherzigkeit verfuhr er stets ausschließlich nach dem Willen Gottes. Denn er war unter seinem Geschlecht und zu seiner Zeit ein anderer Moyses, dessen gerechter Eifer den Sündern verhaßt und zuwider war, und dessen einsichtsvolle Sanftmuth den Stolzen verächtlich und erniedrigend schien. Er glich aber dem Moyses nicht nur in dieser Beziehung, sondern ahmte ihm in Allem nach. In seinen schweren Kämpfen gegen viele Irrlehren glich er Josue, dem Sohne Nun’s, ganz besonders aber dem Eiferer Josias. Denn auch ihm war von seinem Herrn gesagt, wie einst dem Josue: „Sei muthig und stark und fürchte dich nicht; denn ich bin mit dir, um dir zu helfen.“ Gleichwie einst Josue, der Sohn Nun’s, und später Josias das Land Kanaan mit allerlei Dornengestrüppe des Heidenthumes bepflanzt fanden, so fand auch er das ganze edessenische Gebiet von allen Dornen der Sünde dicht überwuchert. Ganz besonders blühte in Edessa die gottlose Lehre des Bardesanes, bevor sie von ihm überwunden und unterdrückt wurde. Denn der verfluchte Bardesanes hatte einst durch seine List und die Süßigkeit seiner Lieder alle Vornehmen der Stadt an sich gezogen, um sich durch sie wie durch starke Mauern zu schützen. Dieser irrende und seine Anhänger irreführende Thor hatte nämlich

Empfohlene Zitierweise:
Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38). Jos. Koesel’sche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_195.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)