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Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38)

auf wenig Nahrung. Aber die kostspieligen Ehrengeschenke von verschiedenartigen Speisen, die ihm von Vielen dargebracht wurden in der Erwartung, daß er sie selbst verzehren würde, schickte er, wenn er sich bewegen ließ sie anzunehmen, an die Kranken und Leidenden in dem Hospital oder an die, welche verlassen und hilflos in ihrem eigenen Hause Noth litten. Das ganze armselige Geräthe auf seinem dürftigen Tische bestand nur aus einem gläsernen Teller, einer irdenen Schüssel und einem hölzernen Löffel. Dabei unterwies er auch nach Kräften seine Hausgenossen, und diese beeiferten sich freiwillig, das Bild seiner Vollkommenheit in sich selbst nachzubilden. Denn sie verbrachten mit ihm einen großen Theil der Nacht in ausdauerndem Wachen unter Psalmengesang und Gebet, während sie sich alle Tage mit der Pflege der Nothleidenden und der in seiner Gegenwart stattfindenden geistlichen Lesung beschäftigten. Auch fasteten sie täglich mit ihm, indem sie sich mit zwei Gerichten von eingemachtem oder frischem Gemüse begnügten. Es genügte aber schon der Anblick seiner bleichen Farbe und der Angesichter seiner Hausgenossen, welche ebenso gefärbt waren, um ihre strenge Lebensweise zu verrathen. Denn da sie alle von demselben ärmlichen Tische speisten, so waren auch ihre Angesichter von derselben blassen Färbung überzogen. Er bestrebte sich, die harten Abtödtungen seines Ordenslebens als Bischof noch zu verdoppeln, indem ihm die Gnadengabe des priesterlichen Geistes zur Vollbringung aller guten Werke helfend zur Seite stand.

Aber auch Dieses muß wie ein Wunder angesehen werden, daß Keiner von diesen Leuten, die doch vierundzwanzig Jahre lang in demselben Hause mit ihm wohnten, sich während dieses ganzen langen Zeitraumes jemals eine solche Freiheit gegen ihn herauszunehmen wagte, um etwa auf Grund des langjährigen vertraulichen Verkehres ungeniert bei ihm einzutreten oder allzu familiär mit ihm zu sprechen. Vielmehr nahm die Ehrfurcht, von welcher sie gegen ihn erfüllt waren, noch mit jedem Tage zu, und ihr Gewissen bebte aus Furcht vor ihm grade so, als ob sie eben zum

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Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38). Jos. Koesel’sche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_187.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)