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Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38)

über ihre verstorbenen Lieben bitterlich weinen. Er führt hinweg und schließt bei sich ein die Schöngestalteten, um ihre Gestalt zu entstellen und zu zerstören. Die Anmuthigen führt er hinweg und verwandelt sie in Staub bis zum Gericht. Er führt hinweg die Bräute von ihren Verlobten und schließt sie in seinem finsteren Gemache ein; er entreißt die Bräutigame den Jungfrauen, welche ihnen bestimmt und verlobt sind, so daß diese in bitterer Trauer um sie dasitzen. Er reißt an sich die schönen Jünglinge, welche den Tod erst im Greisenalter zu sehen erwarteten. Er versammelt bei sich die geliebten Kindlein, an denen sich die Eltern nicht satt sehen konnten. Er führt zu sich ab die übermüthigen Reichen, und ihre Besitzungen entschwinden ihnen gleich Meereswellen. Er führt hinweg zu sich die fleissigen Künstler, welche durch ihre staunenswerthen Werke die Welt ausschmücken, auch die Klugen und Weisen, und macht sie zu Thoren, welche Gutes und Böses nicht mehr zu unterscheiden wissen. Er führt zu sich ab die Begüterten dieser Welt, und es vergeht ihr Besitz und bleibt nicht bestehen auf ewig. Er führt zu sich hinweg die mächtigen Helden, und ihre Gewalt wird gebrochen, schwindet und vergeht. Sie, welche sich sicher fühlten, daß ihre Macht nie geringer werden könnte, werden an ihrem Todestage von Solchen beigesetzt, die von ihnen geringgeschätzt wurden. Die, welche sicher erwarteten, einst ehrenvoll begraben zu werden, werden manchmal von den Hunden gefressen. Sie, welche fest darauf rechneten, in ihrer Heimath beerdigt zu werden, werden vielleicht nicht einmal in dem Lande ihrer Gefangenschaft schmachvoll verscharrt. Denjenigen, welche überzeugt waren, daß sie ihre Güter ihren Söhnen vererben würden, bleibt verborgen, daß diese einst von ihren Feinden geplündert werden. Der Tod führt zu sich hinweg die gewappneten Krieger, welche die weite Welt zu erobern gedachten, wie auch Diejenigen, welche sich schmückten mit jeglicher Zierde, und es kommt vor, daß sie wie ein Esel begraben werden.[1]


  1. Alttestamentlicher Ausdruck für ein schmachvolles Begräbniß.
Empfohlene Zitierweise:
Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38). Jos. Koesel’sche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_135.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)