Seite:BKV Erste Ausgabe Band 38 128.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38)

und ein Fleisch mit ihr zu werden. Diese Weissagung ist in der That groß und ausgezeichnet. Warum verläßt Derjenige Vater und Mutter, welcher ein Weib nimmt? Dieß bedeutet, daß der Mensch, so lange er noch kein Weib genommen hat, Gott, seinen Vater und den heiligen Geist, seine Mutter,[1] liebt und ehrt, ohne eine andere Liebe zu haben. Wenn aber der Mensch ein Weib genommen hat, so verläßt er seinen Vater und seine Mutter, die wir soeben genannt haben, richtet seinen Sinn auf diese Welt, wendet ab Geist, Herz und Gedanken von Gott auf das Irdische und liebt es, gleichwie der Mann liebt das Weib seiner Jugend und die Liebe zu ihr höher achtet als die zu seinem Vater und seiner Mutter. Ferner heißt es, daß Beide ein Fleisch sein würden. Dieß verhält sich wirklich also; denn gleichwie der Mann mit seinem Weihe ein Fleisch und ein Geist wird und Sinn und Gedanken von seinem Vater und seiner Mutter lostrennt, ebenso ist auch derjenige Mensch, welcher kein Weib nimmt, sondern einsam lebt, eines Geistes und eines Sinnes mit seinem (himmlischen) Vater.

Dieses habe ich dir, mein Lieber, über die jungfräuliche Heiligkeit geschrieben, weil ich hörte, daß ein Jude einem von unseren Brüdern, den Söhnen unserer Kirche, folgende Vorwürfe gemacht habe: „Ihr seid unrein, weil ihr keine Weiber nehmet; wir aber sind heilig und vorzüglich, weil wir die Welt durch zahlreiche Nachkommenschaft bevölkern.“ Deßhalb habe ich dir diese Unterweisung geschrieben; aber in Betreff der Jungfräulichkeit und Heiligkeit habe ich dich schon früher in der Abhandlung über den Ordensstand belehrt. Wie schön und lieblich ist die Jungfräulichkeil, selbst wenn der Mensch sie um der Nothwendigkeit willen übt, wie unser Herr sagt:[2] „Nicht Alle fassen es, sondern Diejenigens, welchen es gegeben ist“, und der Apostel spricht: [3]


  1. Das Wort „Geist“ (nûchâ) ist im Syrischen weiblichen Geschlechts.
  2. Matth 19, 11.
  3. I. Kor, 7, 26.
Empfohlene Zitierweise:
Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38). Jos. Koesel’sche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_128.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)