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alter Betrüger!“ worauf er mit verbindlichem Lächeln die ebenfalls stehende Antwort gab: „Herr Doktor, das hat mir schon mancher andre gesagt.“ Und so wurde unser freundliches Verhältnis nie getrübt. Nun ist Jonas mit seinem Kasten wohl schon längst von der Bildfläche verschwunden und ruht für immer von seinen Wanderungen, die sich bis in die späte Nacht ausdehnten.


Wohl täglich aber durften wir an unserm Tisch auch manche liebe und angenehme Gäste begrüßen, die bei uns Platz nahmen, um in unsrer Gesellschaft ein vergnügtes Vormittags- oder Abendstündchen zu verbringen. Es waren dies teils Freunde, teils Brüder oder sonstige Verwandte der einzelnen Masuren, nicht selten auch die Väter, vor allem natürlich viele der in Königsberg wohnenden jüngeren und älteren Philister – die Bezeichnung A. H. war bei uns damals noch ganz ungebräuchlich – der Masovia. Unter den letzteren war besonders gern von uns gesehen der Oberlehrer Dr. Hoffmann vom Friedericianum, der, obwohl älterer Junggeselle, sich mit Jugendfrische unter uns bewegte und durch seinen geistvollen Humor, gepaart mit feinem Sarkasmus, die Unterhaltung zu beleben wußte und dadurch oft förmliche Lachstürme entfesselte. Wertvoller als das war für uns sein verständiger, väterlicher Rat, den er uns in persönlichen, wie in Couleurangelegenheiten zu erteilen stets bereit war, und dessen Befolgung uns ausnahmslos nur ersprießliche Resultate brachte. Wohl alle, die mit diesem trefflichen Manne damals in nähere Berührung treten durften, werden ihm, wie ich ein freundliches und dankbares Andenken bewahren.

Andre an unserm Tisch willkommene und angenehme Gäste waren öfters auch einzelne der ersten [61] Mitglieder des Stadttheaters, so der von mir vorhin genannte Tenorist Wild und andere, die gern unter uns weilten und an unserm Frohsinn teilnahmen. Sie mochten wohl dabei zugleich bezwecken, sich unsre Sympathien zu erwerben, die sich dann abends bei ihrem Auftreten in kräftigstem Applaus äußerten. Denn als Theaterpublikum spielten wir Studenten eine wesentliche Rolle, worüber ich weiterhin noch einiges sagen werde.

Mit besonderer Genugtuung erfüllte es uns, als wir eines Tages im Sommer 1859 sogar den berühmten Komiker Karl Helmerding vom Berliner Wallner-Theater bei uns begrüßen durften. Er gastierte damals unter ungeheurem Beifall in Königsberg und ließ sich durch einen uns bekannten Kollegen bei uns einführen. Die Folge davon war, daß die Frühstückssitzung sich außergewöhnlich ausdehnte, indem der feingebildete, liebenswürdige Künstler, der sich unter uns sehr heimisch fühlte, uns durch seinen sprudelnden Humor stundenlang zu fesseln wußte. Zum Schluß und zum Dank für die bei uns genossene Gastfreundschaft lud er die ganze Gesellschaft zum Kaffee auf die Hufen ein, ließ die nötige Anzahl Droschken vom Schloßplatz holen, und hinaus ging es in langem Zuge nach Conradshof, wo wir bei einer Tasse erfrischenden Mokkas wieder in fröhlichster Stimmung beisammen saßen, bis es für Helmerding Zeit war, sich zum Theater zu begeben. Dorthin begleiteten wir ihn wieder in langem Wagenzuge; er eilte auf die Bühne und wir ins Parterre, das bald von unsern Beifallsstürmen widerhallte.

[Der Besitzer von Conradshof, Mozarski, mimte zuweilen auch und betrat die Bretter, die die Welt bedeuten, in dem Benedixschen Lustspiel „Das bemooste Haupt“ in der Titelrolle. Ein Gaudium sondergleichen für uns, zumal in der Szene, in welcher er seinen

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Otto Vigouroux: Aus meiner goldnen Zeit 1857–60. Königsberg i. Pr. 1905, Seite 60–61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_meiner_goldnen_Zeit_1857%E2%80%9360_(Vigouroux).pdf/6&oldid=- (Version vom 17.9.2022)