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Weise, ohne jeden Mißklang. Mir war vom S. C. die ehrenvolle Aufgabe übertragen worden, die Festrede dabei zu halten, der ich mich nach besten Kräften, und zu meiner innern Befriedigung auch unter allgemeinem Beifall zu entledigen bemüht war. Ich pries den Unsterblichen als den Dichter der deutschen Jugend, als den Verkünder der, diese begeisternden Ideen der Freiheit, der Vaterlandsliebe und des edeln Menschentums.

Möchte er es auch für das heutige, für alle kommenden Geschlechter bleiben, zum Heile des deutschen Volkes, zu dessen Ruhm und Ehre!


Nach dieser Abschweifung, die mich in frühere Semester zurückgeführt, wende ich mich wieder dem Sommersemester 1860 zu, mit dessen Ablauf ich zugleich die Universität verließ, um einige Jahre als Hauslehrer tätig zu sein, und erst 1863 kehrte ich nach Königsberg zurück und widmete mich, statt wie früher theologischen, philologischen Studien.

Jene erste Studienzeit aber fand einen wahrhaft glänzenden Abschluß mit einer ereignisreichen, überaus gelungenen Geniereise in die großen Ferien, die ich in Gemeinschaft mit unserm Karl Heinrich aus Soldau und mit unserm Ludwig Ollech (der dicke Ollech genannt) aus Willenberg unternahm. Gerade in jener Zeit nämlich war mein ältester Bruder Anton, der zu Anfang der fünfziger Jahre als stud. jur. der Masovia angehört hatte, zum Oberhaupt des Städtchens Passenheim erwählt worden und erwartete mich für die ersten Ferienwochen bei sich. Da nun die Heimatstädte jener beiden Couleurbrüder auch in jener Gegend nahe beieinander liegen, so beschlossen wir [77] drei, gemeinsam dorthin zu wandern und Leiden und Freuden unterwegs brüderlich zu teilen, nicht minder natürlich auch das Reisegeld, mit dem es allerdings nicht zu großartig bestellt war.

Sobald nun dieser Plan in der Couleur bekannt geworden war, hieß es sofort: „Da schickt also die Masovia – na, sagen wir, ihren größten Trinker, ihren gewandtesten Märchenerzähler und ihren größten Spötter in die Welt hinaus!“ Welches dieser schmeichelhaften Prädikate dem einzelnen Gliede unsres Trifoliums zukam, das verschweigt des Sängers Höflichkeit – und Bescheidenheit.

Die Reisevorbereitungen machten uns nicht viele Umstände; die Hauptsorge, die Finanzen, war auch bald erledigt, und als wir die Häupter unsrer Lieben zählten, stellte sich ein Fond von ganzen zehn Talern heraus, mit dem ausgerüstet wir vertrauensvoll hinauszogen. Allerdings wurde derselbe gleich zum Beginn stark angegriffen durch das Passagiergeld für die Dampferfahrt nach Elbing; denn erst von dort aus sollte es nach alter deutscher Burschenart zu Fuß weiter gehn. Ursprünglich war die ganze Tour auf diese letztere Art geplant; aber der gute Heinrich, der von jeher aus tiefster Überzeugung dem Grundsatz huldigte, daß Stehen besser als Gehen, und Sitzen noch besser als Stehen sei, wußte es uns schließlich plausibel zu machen, daß es „der Zeitersparnis wegen“, viel praktischer wäre, wenn wir erst von Elbing aus zum Wanderstabe griffen.

Schließlich gesellte sich noch ein vierter Reisegenosse zu uns, oder vielmehr eine Reisegenossin, und zwar eine vierbeinige, Happy, die in allen Kneipen Königsbergs, wo Couleurstudenten verkehrten, wohlbekannte Bulldogge. Eigentlich gehörte sie dem „jungen“ Burow, Mitglied der Burschenschaft Gothia,

Empfohlene Zitierweise:
Otto Vigouroux: Aus meiner goldnen Zeit 1857–60. Königsberg i. Pr. 1905, Seite 76–77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_meiner_goldnen_Zeit_1857%E2%80%9360_(Vigouroux).pdf/14&oldid=- (Version vom 17.9.2022)