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921 mit solchem Ungestüm, daß niemand Zeit hatte auch nur die Rüstung anzulegen oder die Waffen zu ergreifen. Viele wurden niedergehauen, viele gefangen, der Pfalzgraf Odelrich, der sich nicht eben tapfer[1] vertheidigte, fiel im Gefecht; der Markgraf Adelbert aber und Giselbert geriethen lebend in die Gefangenschaft der Ungern.

62. Aber Adelbert, der zwar kein großer Kriegsheld, aber sehr listig und von ausnehmender Verschlagenheit war, hatte nicht so bald die Ungern von allen Seiten andringen und jede Möglichkeit der Flucht sich abgeschnitten gesehen, als er auch schon das Wehrgehenk, die goldenen Armspangen und allen kostbaren Schmuck von sich warf, und die schlechten Kleider eines seiner Leute anlegte, um nicht von den Ungern erkannt zu werden. Da er nun also gefangen war und befragt wurde, wer er sei[2], gab er sich für den Dienstmann eines seiner Lehnsleute aus, und bat, daß man ihn in das nahe gelegene Kastell Calcinaria führen möge, woselbst er Verwandte habe, die ihn loskaufen würden. Er wurde also hingebracht, und da man ihn nicht erkannte, für einen ganz geringen Preis verkauft. Es kaufte ihn aber sein eigener Lehnsmann, Namens Leo.

63. Giselbert dagegen wurde, weil man ihn erkannte, gegeißelt, gebunden, und halbnackt vor den König Berengar gebracht. Wie er nun ohne Beinkleider, mit einem kurzen Rock angethan, dem König vorgeführt wurde, und sich eiligst ihm zu Füßen warf, entblößte er sich, die Schamtheile zeigend, dergestalt, daß alle Anwesenden fast vor Lachen sterben wollten[3]. Der König aber, der ein mildes Herz hatte, erwies ihm Barmherzigkeit, die er doch nicht verdient hatte, und vergalt ihm nicht Böses mit Bösem, wie das Volk es wünschte; sondern er

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig ohne Jahr, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/65&oldid=- (Version vom 4.4.2023)
  1. Vielleicht ist zu verbessern inviriliter oder viliter, so daß das Gegentheil gemeint wäre.
  2. Der Ausdruck ist der Erzählung Suetons von Vitellius Kap. 17 entnommen.
  3. Worte des Terenz, Eun. III, 1, 42.