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896 über Gold, sondern schenkte es ihm auch auf der Stelle, und bat ihn inständigst, daß er dem Könige seinem Herrn aus einem Becher, den sie ihm reichte, zu trinken geben möchte: sein Leben sagte sie, werde der Trunk nicht gefährden, sondern nur der Seele Wildheit mildern. Und um ihren Worten Glauben zu verschaffen, läßt sie in seiner Gegenwart einen ihrer Diener aus dem Becher trinken, der eine Stunde lang vor seinen Augen verweilte, und dann gesund hinweg ging. Hier aber muß ich nun an jenen so wahren Ausruf Virgils erinnern: „Was nicht von der Sterblichen Herzen erzwingst du, Grauliche Goldesbegier!“[1] Denn er nahm den tödlichen Trank, und kredenzte ihn eilig dem Könige. Kaum hatte dieser ihn genommen, als er in einen so tiefen Schlaf verfiel, daß ihn drei Tage hindurch der Lärm des ganzen Heeres nicht erwecken konnte. Man erzählt aber, daß, während seine Diener ihn bald durch Lärm bald durch Rütteln zu wecken suchten, der König mit offenen Augen gefühllos daliegend, kein vernehmliches Wort habe reden können. Wie einen Wahnsinnigen hörte man ihn nicht sprechen, sondern brüllen. Dieses Ereigniß bewog das Heer, ohne Kampf den Rückzug anzutreten.

33. Ich glaube aber, daß dieses Uebel als eine gerechte Strafe vom höchsten Richter über den König Arnulf verhängt worden sei. Denn als das Glück ihm überall günstig war, und seine Macht sich nach allen Seiten ausbreite, maß er alles dieses seiner Tapferkeit bei, ohne dem allmächtigen Gott die gebührende Ehre zu geben. Priester Gottes wurden gebunden fortgeschleppt, geweihete Jungfrauen und verheirathete Frauen mit Gewalt entehrt. Nicht einmal in den Kirchen fanden die Flüchtenden eine Freistätte; denn diese wurden durch Schmausereien, unanständige Aufzüge, unzüchtige Gesänge und

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig ohne Jahr, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/40&oldid=- (Version vom 26.3.2023)
  1. Virgils Aeneide III, 56, nach Voß.