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Herrschsucht des Königs Arnulf! o unseliger, beweinenswerther Tag! Um einen unbedeutenden Mann zu demüthigen, wird ganz Europa in Noth und Jammer gestürzt. O blinder Ehrgeiz! wie viele Frauen machst du zu Witwen, wie viele Väter beraubst du ihrer Kinder, wie vielen Jungfrauen raubst du die Ehre, wie vielen Priestern Gottes sammt ihren Gemeinden die Freiheit; wie viele Kirchen veröden durch dich, wie viele Länder legst du wüste! Hast du o König, ich beschwöre dich, nicht jene Worte gelesen, welche die Wahrheit selber spricht: „Was hülf’s dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?“[1] Fürchtest du nicht den strengen Spruch des höchsten Richters, so hätte doch der Gedanke an die Menschheit, zu der du selber gehörtest, deine Wuth mäßigen sollen. Denn du warst ein Mensch unter Menschen, zwar durch deine Würde höher gestellt, aber von Natur ihnen gleich. Traurig und elend ist in Wahrheit diese Verirrung des Menschengeschlechts; denn die Gattungen der Thiere, Schlangen und Vögel, welche ihrer unbezähmbaren Wildheit und ihres tödtlichen Giftes wegen von den Menschen abgesondert leben, wie der Basilisk, die Otter, das Rhinoceros, oder der Greif, deren bloßer Anblick für verderblich gehalten wird, die leben unter sich um des gemeinschaftlichen Ursprungs und der gleichen Natur willen friedlich und harmlos nebeneinander; der Mensch aber, welcher nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, der das göttliche Gesetz in sich trägt und mit Vernunft begabt ist, den freut es nicht allein seinen Nächsten nicht zu lieben, sondern er vermag sogar ihn mit dem äußersten Hasse zu verfolgen[2]. Sehen wir also zu was Johannes von solchen Menschen sagt — nicht irgend ein gewöhnlicher Mann,

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig ohne Jahr, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/29&oldid=- (Version vom 22.3.2023)
  1. Matth. 16, 26.
  2. Hierin sind deutliche Anklänge an die Naturgeschichte des Plinius VII, 5.