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949 Die Spiele aber, die ich dort sah, übergehe ich, da es zu weitläufig wäre sie zu beschreiben; nur eines derselben will ich erwähnen, weil es gar zu wunderbar war.

9. Es trat ein Mann auf, der auf seiner Stirne ohne Beihülfe der Hände eine Stange trug, deren Länge 24 Schuh und wohl noch mehr betrug, und an welcher, eine Elle unterhalb des obern Endes, ein zwei Ellen langes Querholz angebracht war. Dann führte man zwei nackte, doch mit Schürzchen versehene Knaben hinein. Diese kletterten an der Stange hinauf, vollführten oben allerlei Kunststücke und stiegen dann, die Köpfe nach unten gekehrt, wieder herab, wobei die Stange sich so wenig bewegte, als ob sie in der Erde fest eingewurzelt wäre. Zuletzt, nachdem der eine Knabe schon herabgestiegen war, blieb der andere noch allein oben und machte seine Kunststücke, was mich in noch größere Verwunderung versetzte. Denn so lange beide an der Stange kletterten, schien mir die Sache doch einigermaßen erklärlich, weil sie, wenn gleich mit sehr wunderbarer Kunst, doch durch ihr gleiches Gewicht die Stange, an der sie kletterten, senkrecht erhalten hatten. Daß aber der Eine, welcher oben auf der Stange blieb, nun dergestalt das Gleichgewicht zu beobachten wußte, daß er seine Kunst dort zeigen konnte und unverletzt herabkam, das versetzte mich in solches Staunen, daß meine Verwunderung sogar dem Kaiser bemerklich wurde. Er ließ daher den Dolmetsch rufen und mich fragen, wen ich mehr bewundere, den Knaben, der sich so behutsam bewegt hatte, daß die Stange unbeweglich blieb, oder den Mann, der sie so geschickt auf der Stirn gehalten hatte, daß sie weder durch das Gewicht der Knaben noch durch deren Kunststücke im mindesten aus ihrer Stellung gewichen war. Und da ich antwortete, ich wisse nicht was thaumastoteron d. h. mehr zu bewundern sei, da lachte der Kaiser herzlich und sagte, er wisse es auch nicht.

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/119&oldid=- (Version vom 17.4.2023)