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weiter vor sich hatte, als Schützens, Dusburgs und vielleicht noch eine neuere zusammengestoppelte Chronik, und nichts weiter in sich als seine fruchtbare Phantasie, das heißt hier in historischer Beziehung, seine Kunstfertigkeit aus voller Faust zu lügen. Was in seinem Werkchen nicht in jenen gewöhnlichen Chroniken stand, das ist aus der letztern Quelle geflossen; was ihm die wenigen Chronisten zu mager, zu trocken und zu farblos ließen, füllte, wässerte und tünchte seine Phantasie nach seiner Manier schmackhaft aus und so entstand ein Gemälde, welches, Wunder genug! die Lesewelt wirklich lange Zeit ergötzt hat. – Wir wollen es nur an einigen Stellen versuchen, die falsche Schminke wegzuwischen und den Künstler in seiner nackten Lüge zu zeigen.

Gleich im Anfange des Werkes tritt Winrich von Kniprode, nachdem er im Wahlkapitel über seinen Mitbewerber, den Statthalter Graf Lüder von Kirchberg, den Sieg davon getragen, mit einem pomphaften Feste in Marienburg, mit einem Pankett, mit Tanz, Vogelschießen, Meistersängern und Ehrenschmäusen auf – eine offenbare Erdichtung; denn 1. der Statthalter Graf Lüder von Kirchberg ist eine fingirte Person. Als Statthalter des Ordens müßte er nothwendig einer der obersten Beamten des Ordens gewesen seyn, denn nur solche wurden zu Statthaltern bei eines Meisters Tod ernannt; unter allen Ordensbeamten aber, die wir aus dieser Zeit aufs genaueste kennen, ist keiner dieses Namens. 2. Ist es fast außer Zweifel, daß damals gar kein Statthalter da gewesen ist; denn Heinrich Dusmer von Arffberg war nach urkundlichen Erweisen wenigstens bis in die letzten Tage des Augusts 1351 noch Hochmeister. Am 14 Sept. ward aber Winrich von Kniprode schon zum Meister erkoren; es bleibt also höchstens nur ein Zeitraum von 14 Tagen (und vielleicht auch dieser nicht einmal ganz) übrig; wozu noch kommt, daß der Hochmeister Dusmer von Arffberg nicht gestorben, sondern im Wahlkapitel noch gegenwärtig war und mit Nachdruck für Winrichs Ernennung zum Meister sprach; s. meine Geschichte Marienburgs S. 144. – 3. Das Vogelschießen anticipirt Becker zum Ausschmucke seines Gemäldes; denn Winrich von Kniprode führte es nach dem Berichte des Chronisten nicht schon am zweiten Tage nach seiner Wahl, sondern erst später ein. – 4. Waren jetzt solche pomphafte Feste bei der Meisterwahl eine ungewöhnliche Sache; wenigstens findet sich bei keinem unserer Chronisten irgend eine Spur davon. Ein ausgezeichnetes Gastmahl am Meistertage kommt erst später vor. Endlich 5. ist ein so unmenschliches Saufen, wie es Winrich angeordnet haben soll, eine Unmöglichkeit. Hören wir Beckern S. 5: „Bei dem Ehrenmahl mußte jeder Gast ein silbernes Becken mit acht Weinflaschen,