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Er wollte mit ihnen gemeinsam sterben, wollte sofort umkehren und sie wieder aufsuchen.

Er öffnet die Augen, steht auf, greift nach dem Bergstock, der seiner Hand entglitten und ein Stück zur Seite gerollt ist. Der suchende Lichtschein der Laterne huscht über den Boden hin. Ah – da ist der Stock. Er hebt ihn auf, stutzt sofort. Der Gewichtsunterschied ist zu groß. Dieser Stock hier ist bedeutend leichter. Er betrachtet ihn genauer. Es ist ein Bambusstock, nicht ganz so lang wie der andere, auch ohne eiserne Spitze.

Ein Bambusstock?! Wie kommt der hierher? – Heinrichs matte Lebensgeister erwachen. Er leuchtet mit der Laterne den gerade an dieser Stelle breiteren Tunnel ab. Vielleicht findet er noch etwas, das auf die frühere Anwesenheit von Menschen – und dies können doch nur Karl und Peter Strupp sein – hindeutet! – Zunächst liegt da rechts der Bergstock. Heinrich nimmt ihn nicht auf, so eifrig ist er, noch etwas anderes zu entdecken. Er geht ein paar Schritte weiter, stutzt, springt vor, bückt sich.

Eine Tafel steht da aus Holz gezimmert, dessen eine, sauber geglättete Seite offenbar mit einem Tintenstift beschrieben ist. – Heinrich nestelt die Laterne von der Brust los, nimmt sie in die Linke, liest – liest –

Der Ingenieur und der Chemiker haben während der drei Stunden, die ihr kleiner Freund nun bereits abwesend ist, schweigend, in Gedanken versunken, dagesessen. Was sollten sie auch sprechen?! Sie wußten, daß der Tod bereits mit seiner Sense zum Streiche ausgeholt hatte, um sie beide hier in dieser Einsamkeit der Erdtiefen niederzumähen. Das brauchten sie nicht noch zu erörtern, daß sie sterben mußten. Sie wußten es. Und genau wie bei Heinrich tauchte auch in ihrer Erinnerung ihr Leben vor ihnen in einer Reihe stets wechselnder Bilder auf.

So schwiegen sie und ließen nur ihr Gedächtnis zu ihnen reden; prüften wohl auch, ob dieses ihr Leben so gewesen, daß es diesen traurigen Abschluß

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W. Belka: Auf dunklem Pfade. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Auf_dunklem_Pfade.pdf/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)