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was sein gütiger Beschützer und Freund ihm zur Begründung dieses Entschlusses, daß er allein den Marsch fortsetzen solle, mitgeteilt hatte, desto langsamer wurden seine Schritte. Was er bisher ohne weiteres als mit den tatsächlichen Verhältnissen in Einklang stehend hingenommen hatte, erschien ihm nun plötzlich voller unlöslicher Widersprüche. – Wo kam zum Beispiel der Proviant her, den man ihm mitgegeben? Und – waren denn Seiffert und der Ingenieur wirklich bereits[1] entkräftet, daß sie diese angebliche Reststrecke von 2 bis 3 Tagesmärschen nicht mehr hätten schaffen können?! Weiter – wenn sie hofften, durch die Nährtabletten sich so lange am Leben zu erhalten, bis er zu ihnen zurückkehrte, – warum waren sie dann überhaupt zurückgeblieben?! Richtiger wäre es doch gewesen, im Vertrauen auf die günstige Wirkung der Tabletten zu dritt der Oberwelt zuzustreben! Der Oberwelt, wo – angeblich! – die Rettung winken sollte! Die Rettung?! – Ja – hatte denn der Chemiker nicht früher nach den vier ersten Marschwochen etwa erklärt, wenn der Tunnel diese Richtung beibehalte, käme man zum Südpol, in das Polargebiet, wo es nichts gäbe als Eis, Schnee, und wieder Eismassen und – Kälte, grimme, ertötende Kälte?! – Und da sollte die Rettung winken?!

Heinrich blieb stehen. Er war wie gelähmt. Seine Gedanken suchten nach einem Ausweg aus diesem Irrgarten von Widersprüchen. Dann – dann dämmerte ihm langsam die Erkenntnis der Wahrheit auf: Seiffert und Kräwel hatten diese letzten Lebensmittel für ihn aufgespart, hatten gehungert, damit er noch ein paar Tage länger als sie sein Leben fristen könne.

Welche Seelengröße, welche Selbstlosigkeit und Opferfreudigkeit sprachen aus diesem Tun. Wo würde man so leicht wohl zwei Männer finden, die so zu handeln imstande waren.

Heinrich setzte sich auf einen flachen Felsblock. Ihm versagten plötzlich die Beine den Dienst, denn noch mehr erkannte er jetzt aus dieser seltenen Handlungsweise seiner Gefährten: daß sie selbst kaum noch

  1. Vorlage: bereis
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W. Belka: Auf dunklem Pfade. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Auf_dunklem_Pfade.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)