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mit leisem Staunen, daß all seine Gedanken kühl und kaum von Angst betont durch seine Seele zogen. Irgend etwas freilich mußte geschehen. Doch mehr aus natürlichen Verstandesfolgerungen, als aus einem Gefühl von Furcht ergab es sich für ihn, daß er keineswegs hierbleiben, daß er in jedem Falle weiterfliehen müßte. Die Frage war nur – wohin? Wären ihm die Verfolger nicht morgen schon auf der Spur, so würden sie es in wenigen Tagen sein; und selbst wenn es ihm gelänge, das Land, ja den Kontinent zu verlassen und die Neue Welt zu erreichen – vor der fixen Idee eines Wahnsinnigen war er doch nirgends in Sicherheit, und am Ende konnte ihn dieses Bewußtsein dauernder Gefahr und ewigen Verfolgtseins in Wirklichkeit um den Verstand bringen, so daß er die anderen ins Recht gesetzt, seinem Bruder gewissermaßen in die Hände gearbeitet und – ein teuflischer Witz des Schicksals – dessen Wahnidee bestätigt hätte.

Er verließ das Gasthofzimmer und spazierte draußen auf dem menschenleeren beschneiten Marktplatz hin und her, sehr gemächlich, eine Zigarre im Munde, so daß er jedem, der ihn so gesehen, als ein sorgloser Wintertourist hätte erscheinen müssen. Plötzlich fielen ihm die Aufzeichnungen wieder ein, die er am Abend niedergeschrieben hatte. Könnt’ ich’s nicht wagen, mit ihrer Hilfe den Kampf aufzunehmen?

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_164.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)