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beobachten. Eines war sicher, daß die beiden, Otto und der Professor, nachher eine Weile in einer Fensternische sich angelegentlich miteinander unterhalten hatten. Und einmal hatte von der Nische her Otto den Bruder mit einem flüchtigen Blick gestreift und gleich wieder weggesehen.

Von plötzlicher Unruhe gepackt, schaltete Robert das Licht ein, sprang aus dem Bett und trat vor den Spiegel. Das Antlitz, das ihm entgegensah, mit fahlen Wangen, weitaufgerissenen Augen und zerrauftem Haar, einen fremden Zug um die Lippen, erschreckte ihn tief. War das überhaupt sein eigenes Gesicht? Ja, das war es wohl, aber so, wie es sich einem offenbaren mußte, dem es gegeben war, hinter den gepflegten Masken des Alltags das echte, das wahrhaftige zu erkennen, in das die Spuren all der Ängste eingegraben waren, die ihn sein halbes Leben lang verfolgt und endlich durch die Welt gejagt hatten. Wenn auch ihre Macht in den letzten Wochen gemildert schien – seiner Umgebung mußte das keineswegs ebenso einleuchtend sein wie ihm selbst, und es war sehr naheliegend, daß Otto, der seit Jahren eine ernstere Nervenerkrankung, vielleicht den Ausbruch einer Geistesstörung bei ihm befürchtet hatte, ihn fortdauernd beobachtete und beobachten ließ.

Dem Professor war er noch niemals im Hause des Bruders begegnet – daß man ihn heute geladen, das

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_115.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)