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Vetter seiner verstorbenen Frau, Herr August Langer, der früher vom Kartentisch aus in höchst eigentümlicher Weise herübergeblickt hatte, ihn des Mords an Brigitte verdächtigte. Nicht minder denkbar war es, daß Alberta drüben in Amerika an irgendeiner Krankheit hinsiechte und daß ihr Geliebter oder Gatte sich einbildete, Robert hätte der Ungetreuen aus Rache ein schleichendes Gift eingegeben. Und was half es, selber gesund zu sein, wenn die Welt von Geistesgestörten wimmelte? Jetzt fehlte nur noch, daß das arme Geschöpf, mit dem er vor ein paar Wochen einen trübseligen Liebesabend verbracht, an den Resten des mitgenommenen Mahls erkrankt oder gar gestorben wäre. Wie sollte er sich dann von dem Verdacht des Giftmordes reinigen, – insbesondere, wenn man zugleich von irgendeiner anderen Seite mit wahnwitzigen Anschuldigungen gegen ihn heranträte?

Ein Kollege aus dem Ministerium begrüßte ihn und hielt ihn durch gleichgültige Fragen in der abendlich belebten Straße eine Weile fest. Robert stand Rede und Antwort, machte sogar eine spaßhafte Bemerkung über den Baron Prantner, und als der andere wieder verschwunden war, blickte Robert, wie aus einem bösen Traum erwacht, rings um sich her. Menschen gingen an ihm vorüber, elektrische Lampen leuchteten rechts und links, aus der gleißenden

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)