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wohl als das erkannte, was sie waren, als Vorwände für das diesmal vorzeitige Erwachen eines Hasses, der sich in früheren Fällen seinen Liebesgefühlen immer erst allmählich beigesellt hatte. Was er jetzt in sich erlebte, war nur ein Beispiel mehr für das unheimliche Auf und Nieder seiner Empfindungen, die demselben Menschen gegenüber von opferbereiter Zärtlichkeit und verzehrender Leidenschaft bis zu Abneigung, Widerwillen, Grimm, Wut und Todeswünschen zu schwanken vermochten.

Und wo ist am Ende der Unterschied, fragte er sich, zwischen einem Todeswunsch und einem Mord? Gedanken vergehen, Taten sind unwiderruflich. Ist das nicht eine Tücke der Vorsehung? Die Empfindung, durch die eine Tat möglich geworden, ist längst erloschen, ist vielleicht in ihr Gegenteil umgeschlagen; und die Tat bleibt getan. Nehmen wir an, das Gift, das ich Brigitte gab, hätte nicht gewirkt. Am nächsten Morgen wäre sie wieder aufgewacht, lebte vielleicht noch heute, und kein Mensch ahnte, was geschehen, oder vielmehr, was beabsichtigt gewesen war. Ich selbst würde es nicht ahnen, denn ich hätte es ja vergessen. Ich habe es vergessen. – Hab’ ich das wirklich? Nein, ich erinnere mich ja …

„Habe ich dich lange warten lassen?“ fragte Otto, und die Gartentür fiel hinter ihm ins Schloß.

„Oh, gar nicht“, erwiderte Robert und faßte sich

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 087. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_087.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)