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von Lebenseindrücken sich vollziehende ist die Beseelung des antiken Menschen mit modernem Empfinden. Sie zeigt sich als eine Milderung des Strengen in der griechischen Auffassung, als eine stärkere Verdeutlichung des Gefühlslebens in der Erscheinung, als eine Steigerung des sinnlich Reizvollen und des drastisch Wirksamen. Es ist bezeichnend, daß diese Umwandlung sich im wesentlichen an der Frau und an dem antiken Fabelwesen vollzieht, nicht in gleichem Grade an dem Mann, der nur im Knaben- und früheren Jünglingsalter dem Wunsche des Künstlers, Stimmung auszudrücken, entgegenkommt. Denn eben die gemütliche Bewegung ist es, durch welche der so beseelte antike Mensch in die moderne Naturstimmung einbezogen werden kann. Zweierlei Charakter aber, wenn wir ganz im allgemeinen unterscheiden und die Übergänge unberücksichtigt lassen, kann dieser zu eigen sein: Friedlichkeit oder Erregung, Ruhe oder Sturm. Der erste gewinnt seine menschliche Erscheinung in den zarten weiblichen, den jugendlichen und kindlichen Elementen, der zweite in dem ungestüm wilden, dämonischen Wesen der Kentauren und Tritonen. Dort Träumerei, Ahnen, Schwermut, aber auch zarte helle Lust und seliges Genießen aufblühenden Matten, in lauschigen Gründen, an sanftem Wasserspiegel, bei sprudelnder Quelle, in lautlosen Zypressenhainen, auf einsamen Bergeshöhen, in dämmerndem Walde, auf spielenden Meereswogen — hier Taumel, Leidenschaft, Kampf, Verzweiflung in donnernder Wogenbrandung, in brausendem Sturme, in entflammten Burgen, unter jagenden Wolken.

Da muß das griechische Wesen vom Germanischen

Empfohlene Zitierweise:
Henry Thode: Arnold Böcklin (Gedenkworte). Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1905, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arnold_B%C3%B6cklin.pdf/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)