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Sie sich und andere! Im Trauerspiele aber sind die Handlungen um der Person willen da – sie stehen also nicht in meiner Gewalt, ich mag nun Pradon oder Racine heissen, sondern sie stehen bey der Person, die ich darstelle. In der Komödie aber gehe ich von den Handlungen aus, und lasse Personen Theil dran nehmen welche ich will. Eine Komödie ohne Personen intereßirt nicht, eine Tragödie ohne Personen ist ein Widerspruch. Ein Unding, eine oratorische Figur, eine Schaumblase über dem Maul Voltairens oder Corneillens ohne Daseyn und Realität – ein Wink macht sie platzen.

– – Das wärs nun, meine Herren! ich bin müde, Ihnen mehr zu sagen. Aber weil doch jeder Rauch machen muß, der sich unterstehen will, ein Feuer anzuzünden. Ich bin gewiß, daß es noch lange nicht genug war, Aufmerksamkeit rege zu machen – nichts desto weniger straft mich mein Gewissen doch, daß ich schon zu viel gesagt. Denn es ist so eine verdrüßliche Sache, von Dingen zu schwätzen, die sich nur sehen und fühlen lassen, über die nichts gesagt seyn will – qui hedera non egent.[WS 1] Hätt ich nur mit diesen Anmerkungen das ausgerichtet, was Petronius in seinem Gastmahl des Trimalchion von – daß die Römer zwischen den ungeheuren Mahlzeiten der Saturnalien sich eines Brechmittels, auch wohl schnellwirkenden Purganz bedient, um sich neuen Appetit zu schaffen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. lat., „die keines Efeus bedürfen“. (Dichter wurden mit einem Efeukranz (ähnlich dem Lorbeerkranz) ausgezeichnet.)
Empfohlene Zitierweise:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anmerkungen_%C3%BCbers_Theater.pdf/55&oldid=- (Version vom 31.7.2018)