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Voltaire und Shakespear wetteiferten einst um den Tod des Cäsars. Die ganze Stadt weiß davon. Ich möchte sagen, ein kleiner Vogel verbarg sich einst unter die Flügel eines Adlers, darnach satzt’ er ihm auf den Rücken und dann: Quo me Bache rapis tui plenum?[WS 1] Hernach, die Historie ist lustig, klatscht’ ein berühmter Kunstrichter in die Hände: il nostro poeta ha fatto quel uso di Shakespeare che Virgilio faceva di Ennio.[WS 2] Nur möchte man beherzigen, mit wie vieler Vorsicht – und daß er blos den Ernst der Engelländer auf die vaterländische Bühne gebracht, nicht aber ihre Wildheit. Dawider hätt’ ich nun nichts einzuwenden, wenn man mir erlaubt, die Vorsicht, durch Ohnmacht zu übersetzen, den harten Ausdruck ferocitá,[WS 3] durch Genie, und die Moral drunter schreibe: Wenn der Fuchs die Trauben nicht langen kann –

In eine ausführliche Parallele des Julius Cäsar und des la mort de Caesar mag sich ein anderer einlassen – nicht den beyderseitigen Bau der Fabel, Gruppirung der Charaktere, Vorbereitung und Schwingung der Situationen – nichts von der Portia sagen, die V. nicht würdig fand – nichts von der nahen Blutsfreundschaft zwischen Cäsar und Brutus, die er wie einen blauen

Lappen aufs grüne Kleid – bloß beyde Dichter

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Horaz, Oden III, 25: „Wohin, Bacchus, reißt du mich, der ich von dir erfüllt bin?“
  2. Francesco Algarotti (1712–64), „Lettera del Signor Conte Algarotti“, in Voltaires Werken als Beigabe zu „La mort de César“: „Unser Dichter hat denselben Gebrauch von Shakespeare gemacht wie Vergil von Ennius.“
  3. ital., Wildheit.
Empfohlene Zitierweise:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anmerkungen_%C3%BCbers_Theater.pdf/44&oldid=- (Version vom 31.7.2018)