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Unsere Seele ist ein Ding, dessen Wirkungen wie die des Körpers successiv sind, eine nach der andern. Woher das komme, das ist – so viel ist gewiß, daß unsere Seele von ganzem Herzen wünscht, weder successiv zu erkennen, noch zu wollen. Wir möchten mit einem Blick durch die innerste Natur aller Wesen dringen, mit einer Empfindung alle Wonne, die in der Natur ist, aufnehmen und mit uns vereinigen. Fragen Sie sich, m. H. wenn Sie mir nicht glauben wollen. Woher die Unruhe, wenn Sie hie und da eine Seite der Erkenntniß beklapst[WS 1] haben, das zitternde Verlangen, das Ganze mit Ihrem Verstande zu umfassen, die lähmende Furcht, wenn Sie zur andern Seite übergehn, werden Sie die erste wieder aus dem Gedächtniß verlieren. Eben so bey jedem Genuß, woher dieser Sturm, das All zu erfassen, der Ueberdruß, wenn Ihrer keichenden Sehnsucht kein neuer Gegenstand übrig zu bleiben scheint – die Welt wird für Sie arm und Sie schwärmen nach Brücken. Den zitterlichtesten Strahl möcht Ihr Heißhunger bis in die Milchstrasse verfolgen, und blendete das erzürnte Schicksal Sie, wie Milton würden Sie sich in Chaos und Nacht Welten wähnen, deren Zugang im Reich der Wirklichkeiten Ihnen versperrt ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: beklaspt
Empfohlene Zitierweise:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anmerkungen_%C3%BCbers_Theater.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)