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ersten Anblicke so sehr für ihn ein, daß ich eine genauere Bekanntschaft mit ihm suchte und auch – jedoch nicht ohne Mühe – fand. Bei einem nähern Umgange entdeckte ich in ihm einen edlen offenen Character, vereiniget mit den herrlichsten Fähigkeiten und Talenten. Oft forschte ich nach den Ursachen seiner Schwermuth und seiner beständigen blassen Gesichtsfarbe; allein lange umsonst; bis er endlich neulich, da ich mich seines Vertrauens versichert hatte, und von neuem stark in ihm drang, in folgende unglückliche Worte gegen mich ausbrach: “Freund! forschen Sie nicht länger nach den Ursachen meiner gerechten Betrübniß; denn gewiß werden Sie, wenn ich sie Ihnen entdecke, von Stund an meinen Umgang meiden und mich, als einen Verworfenen, meinen eigenen Gewissensbissen überlassen. – Doch nein! Sie sind zu menschenfreundlich, als daß Sie so gegen mich verfahren könnten. Hören Sie demnach: das unglückliche Beispiel eines jungen Menschen, mit dem ich die Schule besuchte, hat mich zu dem verabscheuungswürdigen, die Menschheit entehrenden Laster der Selbstschwächung verleitet. Das Höchstschädliche dieser schändlichen Handlung sah ich damals noch nicht ein; seit einiger Zeit aber fühle ich

Empfohlene Zitierweise:
Johann Friedrich Oest: Nöthige Belehrung und Warnung für Jünglinge und solche Knaben, die schon zu einigem Nachdenken gewöhnt sind. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens, Heft 6. Schulbuchhandlung, Wolfenbüttel 1787, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Revision_des_gesammten_Schul-_und_Erziehungswesens_6.pdf/372&oldid=- (Version vom 31.7.2018)