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den Gewächsen entlehnt ist, Saamen nennt,[1] wird in dem Mutterleibe die erste Anlage zur Bildung eines Menschen gemacht. Dies pflegt man die Empfängniß zu nennen.

Nach dieser Empfängniß bildet sich nun der Keim in dem Leibe der Mutter nach und nach zu einem Kinde aus, welches man, so lange


  1. Unter Saamen versteht man bei den Gewächsen nach der gewöhnlichen Art zu reden nicht das, worin die zeugende oder bevorbringende Kraft liegt. Diese ist in dem Blumenstaub, oder dem feinen Mehl, das auf den Staubbeuteln liegt, enthalten. Unter Saamen versteht man die würkliche Frucht, die durch die Zeugung in der Blume hervorgebracht ist. Man nimmt hingegen bei thierischen Körpern das Wort Saamen in einer andern Bedeutung, nemlich für das, wodurch ein Wesen von gleicher Art hervorgebracht wird. Wenn nun gleich in beiden Fällen das Wort nicht einerlei bezeichnet, so ist doch immer eine große Aehnlichkeit zwischen der Frucht, die im Schooße der Mutter, und dem Saamenkorn, das im Schooße der Erde sich ausbildet. Und dies hat zur Verwechselung zweier sonst verschiedener Dinge Gelegenheit gegeben. Das Aufkeimen eines Saamenkorns in der Erde kann man nicht als eine Zeugung, wol aber als eine Verwandlung und Vervollkommnung einer schon vorhandenen Frucht ansehen. Zur Zeugung gehören immer zwei Wesen von gleicher Art, die nur blos in den Theilen, die zur Erhaltung ihrer Art nöthig sind, Verschiedenheit haben.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Friedrich Oest: Nöthige Belehrung und Warnung für Jünglinge und solche Knaben, die schon zu einigem Nachdenken gewöhnt sind. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens, Heft 6. Schulbuchhandlung, Wolfenbüttel 1787, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Revision_des_gesammten_Schul-_und_Erziehungswesens_6.pdf/338&oldid=- (Version vom 31.7.2018)