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Tourasse und Mellet in ihrem Werke vom Jahre 1828 beschrieben haben.

Sie gaben für die Folge die Lehre:

1. daß man die Cylinder oder Trommeln, über welche die Kette sich aufrollt, in der Art anzuordnen habe, daß etwaige Stöße nicht nachtheilig sind;

2. daß die Trommeln in ihrer gegenseitigen Stellung unveränderlich sein sollen;

3. daß jede unnöthige Reibung der Kette vermieden werden solle;

4. daß die Geschwindigkeit der Trommeln nach der Strömung soll regulirt werden können;

5. daß man keine konischen Räder anwenden soll;

6. daß man keine Hanfseile, sondern entweder Drahtseile oder Ketten anwenden soll, welche eine Länge haben gleich derjenigen des zu durchlaufenden Weges.

Wie alle diese Punkte berücksichtigt werden können, ersehen wir aus der folgenden Beschreibung eines von Ch. Dietz in Bordeaux construirten Kettenschiffes, welches den Namen „die Stadt Sens“ führt. Dasselbe hat die Einrichtung wie sie nun seit langer Zeit auf der oberen Seine besteht und wie sie auch seit einigen Jahren auf der unteren Seine von Paris bis Conflans angenommen wurde und bis in das Meer fortgesetzt werden soll; sie zeigt eine solche Einfachheit, Regelmäßigkeit und Leichtigkeit im Dienste, daß es zu verwundern ist, daß sie bis jetzt nicht mehr Verbreitung gefunden hat.

Erst in neuerer Zeit sind Concessionen um Errichtung der Kettenschifffahrt auf dem Rheine nachgesucht worden, insbesondere für die untere Rheinstrecke zwischen Ruhrort und Koblenz, und es verpflichteten sich die Unternehmer, dem Aerar Frachtgut um 30 Procent billiger zu transportiren wie die Schiffer, welche ihre Schiffe mit Pferden ziehen lassen.

2. Beschreibung des Schleppdampfschiffes „die Stadt Sens“ vom Ing. Ch. Dietz in Bordeaux.
(Blatt 745.)

Fig. 1 ist ein Längendurchschnitt des Schiffes.

Fig. 2 der Grundriß.

Fig. 3 der Querschnitt nach der Linie 1–2. Fig. 1.

Diese drei Figuren sind im Maßstabe 1/120.

Die Fig. 4 und 5 zeigen in dem Maßstabe 1/50 die Bewegungsmaschine von vorn und von der Seite.

Fig. 6 zeigt ein Detail über die Art der Zusammensetzung der Rollen, über welche die Kette geht.

Fig. 7 zeigt die Ansicht und den Grundriß eines der beiden beweglichen Arme, welche die Kette leiten und die Reibung auf dem Schiffsrande verhindern.

Fig. 8, 9 und 10 sind Details der Kette.

Allgemeine Anlage des Schiffes.

Das Schiff ist ganz von Eisen; sein Boden ist eben wie Fig. 3 deutlich zeigt, damit die Einsenkung eine möglichst geringe wird; besonderen Ballast trägt das Schiff aus diesem Grunde auch nicht, seine Belastung besteht lediglich aus der Maschine in der Mitte des Schiffes und den beiden Kesseln mit ihren Kohlenräumen an den Enden desselben. Auf diese Weise gelang es dem Constructeur die Einsenkung des Schiffes auf nur 40 Centimeter zu reduciren, was sehr wesentlich war für den Dienst auf der Seine, indem dieselbe an vielen Stellen Untiefen hat.

Die Rippen, an welche das Eisenblech, das die äußere Schale des Schiffs bildet, befestiget sind, bestehen aus Winkeleisen.

Vorn und hinten im Schiffe befinden sich zwei Zimmer A, welche von dem übrigen Raume durch eine Wand a in der Art getrennt sind, daß, wenn in Folge eines Lecks diese beiden Zimmer A Wasser fassen, die Sicherheit des Schiffes doch nicht gefährdet ist.

Um dem Schiffe eine beliebige Richtung geben zu können, sind zwei Steuerruder, an jedem Ende eines, angebracht. Der Mechanismus zur Bewegung derselben ist sehr einfach folgender:

An der Achse des Steuerruders sitzt eine Rolle b, über diese und die Rolle b’ geht eine Kette c;; die Rolle b’ sitzt fest in der verticalen Achse d und oben an der letzteren sitzt ein Spillenrad[WS 1] v, woran der Steuermann dreht.

Die Bewegungsmaschinen sind nahe in der Mitte des Schiffes aufgestellt; das Gestelle, welches die Rollen und Räder trägt, ragt über die Decke des Schiffes hinaus und ist deßhalb mit einer besonderen Blechhaube B überdeckt.

Die beiden Dampfkessel haben Siederöhren wie die Kessel der Locomotiven und innere Feuerung.

Die Kohlenvorräthe sind in den Magazinen C, C Fig. 2 und 3, welche rechts und links von den Kesseln liegen. Luft und Licht gelangen in das Innere des Schiffes durch die Oeffnungen c’ c’ an der Schiffsdecke und die runden Glasscheiben e, e in den Seitenwänden Fig. 1.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Begriff Spillenrad bezeichnet eines an seiner Peripherie in regelmäßigen Abständen mit Handgriffen versehenes Rad.
Empfohlene Zitierweise:
M.B. : Ueber Flußschifffahrt, insbesondere die Kettenschifffahrt. Allgemeine Bauzeitung, Wien 1865, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Bauzeitung_Wien_1865_p195.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)