Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen II.djvu/189

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

meist nur weibliche Hände. Viel tausendarmige Männerstärke und riesenhafte Maschinen sind beim kostspieligsten Aufwande von Bauholz erforderlich, um Gestein in Silber zu verwandeln, und auf die leichteste Weise machen gleichsam hier schwache weibliche Hände aus dem gewöhnlichsten Düngerstoffe Silber, welches uns für ihre Stroharbeiten in bedeutenden Summen aus dem Auslande zufliesst.

Die Strohmanufaktur erfordert namentlich zweierlei, nämlich ein gutes dazu geeignetes Weizenstroh – wie es nicht überall, am geeignetsten blos in hiesiger Gegend zu finden ist – und geschickte fleissige Hände. Diese beiden Umstände sicherten unserm Sachsenlande bisher den ausschliesslichen Besitz dieses schönen Erwerbszweiges. Schon Kinder von drei bis vier Jahren lernen gewöhnlich ohne Unterricht durch blosse Nachahmung das Strohflechten und nur durch einen so zeitigen Anfang wird in dieser Arbeit eine lohnende Fertigkeit erreicht. Das Stroh muss, um der erforderlichen Eigenschaften nicht zu ermangeln, weiss und fleckenrein, weich und geschmeidig sein. Nicht der ganze Strohhalm wird verarbeitet, sondern nur dessen bester Theil. Dieser beste Theil wird ausgeschnitten, geschwefelt, gewässert, auch wohl gerüffelt und durch Maschinen geschlitzt, dann zu Band ähnlichen Streifen geknüpft oder geflochten und dieses Geflecht endlich zu Hüten vernäht. Das Flechten bringt weniger Lohn als das Nähen, welches bei feinem Stroh sehr mühsam ist, bei grobem aber sehr häufig blutige Finger erzeugt, indem die hervorragenden Enden der Halme umgedrückt und eingebrochen werden müssen.

Für die Erlernung des Hutnähens, als einer vorzüglichen Fertigkeit, lassen sich Meisterinnen, welche Strohfräuleins genannt werden, Lehrgeld zahlen, und, besetzt von den Lernenden, gleicht die Stube eines solchen Fräuleins nicht selten der einer städtischen Putzmacherin.

In den sogenannten Strohdörfern gesellen sich während des Winters die Stroharbeiterinnen zahlreich zusammen, eben so, wie in andern Gegenden mit dem Klöppelsacke oder Spinnrade die Mädchen gegenseitige Besuche zu machen pflegen. Im Sommer sitzt, mit Ausschneiden, Flechten und Nähen beschäftigt, vor der Thüre der Häuser Alt und Jung. Der Hirt folgt Stroh flechtend, wie im Erzgebirge mit dem Strickstrumpf in der Hand, seiner Heerde und der Vogelsteller hat das Strohgeflecht bei sich.

Die eigentliche Fruchtzeit der Manufaktur dauert gewöhnlich nur vom Februar bis höchstens zum Juni. In diesen Monaten kann kaum genug geschafft werden. Dann aber stockt auf einmal der Vertrieb. Die Ernte fordert den grössern Theil der Hände, und erst nach derselben kehrt man wieder zum Flechten und Nähen auf Vorrath für’s künftige Jahr zurück.

In dieser Periode wird aber mehr Bauern- als Modehut gemacht, weil bei letzterem die künftig eintretende Mode noch nicht bekannt ist.

Die Strohmanufaktur hat so gut wie jede andere ihre ganz eignen Gebrechen. Am nachtheiligsten für dieselbe ist die starke Ausfuhr des rohen Geflechts. Auch klagt man über die grosse Zahl der Arbeiter, wodurch dem Landbaue die nöthigen Kräfte häufig entzogen werden.

Die Licht-Seiten dieses Gewerbes sind unbedingt die, dass damit grosse Summen dem Lande erhalten und noch grössere hereingezogen werden; dass es viele tausend Personen vom Kindes- bis zum Greisenalter ernährt; dass es nie ins Stocken gerathen kann, wie andere Manufakturen, da dieses Gewerbe nicht vom Auslande rücksichtlich des rohen Stoffes abhängt; dass es wenig mit dem Auslande zu rivalisiren braucht; denn es scheint fast, als sei nirgends geeigneterer Boden dafür da, als gerade hier. Es wurden Auswanderungen von geschickten Arbeiterinnen unternommen, die durch die Hoffnung, Fleiss und Fertigkeit anderswo höher belohnt zu sehen, sich forttreiben liessen. Aber kein Wort des Gehofften ist von solchen Arbeiterinnen zurückgedrungen in die heimathlichen Thäler. Sie sind verschollen und vielleicht traurig untergegangen.

Kreischa, wie Dresden, Dohna, Lockwitz und Possendorf sind Hauptversendungsorte der Strohwaaren.

In die Kirche von Kreischa sind eingepfarrt Saida, Zscheckwitz, Gombsen, Kautzsch, Hermsdorf, ¾ Stunde südwestlich von Kreischa, Lungwitz und Wittgersdorf. Die Kirche ist ebenfalls wie das Schloss sehr alten Ursprungs, doch fehlen die nähern Nachrichten darüber. Nur so viel ist gewiss, dass sie vor der Reformation im Jahre 1514 in ihrer jetzigen baulichen Gestalt bestanden hat und nur der viereckige Thurm wurde durch eine achteckige Erhöhung im Jahre 1749 verschönert. Merkwürdig ist der à jour gearbeitete Altaraufsatz.

Der dasige Prediger hat zwei das Gestift in Lungwitz[1] berührende Stiftspredigten alljährlich zu halten und vertheilt, ebenfalls durch diese Stiftung begründet, jährlich zwölf Bibeln und zwölf Gesangbücher unter die Einwohner in Lungwitz und Hermsdorf.

Die Schule zu Kreischa, als einzige des Kirchsprengels, wird von 250 Kindern besucht. Die Collatur über Kirche und Schule steht der jedesmaligen Gerichtsherrschaft des Rittergutes Oberkreischa zu.

Nicht weit von hier erhebt sich die sogenannte Quohrener oder Kohrener Koppe. Diese Höhe von 1150 Pariser Fuss über dem Meere gewährt eine reizende Uebersicht von Quohren und Kreischa, sowie auf einen grossen Strich des Elbthals, von Pirna bis unter Pillnitz. Auf dieser Höhe, die Koppe genannt, hatten in den früheren Zeiten die Burggrafen von Dohna ein Schloss, wovon die Spuren noch jetzt vorhanden sind.

Kreischa, worunter Ober-, Mittel-, Nieder- und Kleinkreischa mit Eichberg begriffen ist, gehört jetzt mit seinen 119 bewohnten Gebäuden, seinen 287 Familienhaushaltungen und 1236 Einwohnern zum Gerichtsamt Dippoldiswalde – zum Bezirksgericht – zur Amtshauptmannschaft – zum Regierungsbezirk Dresden.

M. G.     




  1. Die verw. Hofräthin Bennemann, geb. Achard, als letzte Besitzerin von Lungwitz, hat dieses Gut durch Testament vom 18. August 1760 als milde Stiftung theils für die nächsten Glieder ihrer Familie, theils für Fremde bestimmt.
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/189&oldid=- (Version vom 3.6.2018)