Seite:Album der Sächsischen Industrie Band 2.pdf/328

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Schon frühzeitig mußten die Menschen auf die Nothwendigkeit aufmerksam werden, den Kopf gegen heftige Sonnenstrahlen ober gegen die Unbilde des Wetters zeitweise durch irgend eine Bedeckung zu schützen, die Anfangs wohl nur aus Blättern oder Baumrinde bestand, wie sie nun eben den verlangten Dienst am besten leisteten. Nach und nach wurde diese erst nur durch augenblickliches Bedürfniß herbeigeführte Kopfbedeckung förmlich Sitte, es war dieses schon im grausten Alterthum der Fall und die Bedeckung selbst nahm schon in frühester Zeit die bequemste und zweckmäßigste Form, die breitrandige Hutform an, wie wir nicht nur aus alten Ueberlieferungen Andeutungen erhalten, sondern auch aus dem Alterthum zu uns gekommenen Gemälden und Bildhauerarbeiten noch sehen. Figuren mit hutartiger Kopfbedeckung sieht man z. B. auf den Gemälden in den egyptischen Königsgräbern, auf in Mumiensärgen gefundenen Papyrusrollen, auf alten Vasen u.s.w. – Die Hutmacherei kann man also, gleich der Weberei, zu den ältesten Gewerben, die man kennt, zählen, und wollte man poetisch sprechen, könnte man allenfalls selbst behaupten, der erste Hutmacher müsse im Olymp gewohnt haben und also göttlichen Ursprungs gewesen sein, denn bekanntlich war unter allen unsterblichen Bewohnern des ewig heitren Olymps Merkur der einzige, welcher einen Hut trug, den der Götterbote um des schnellen Fortkommens willen obendrein mit Flügeln geziert hatte. – Wäre der Name jenes olympischen Hutmachermeisters auf uns gekommen, so würde das Hutmachergewerbe einen stattlichen mythologischen Schutzpatron haben, gleich den Grobschmieden, Winzern, Kaufleuten, Aerzten u.s.w.

In der ersten Zeit waren es vornämlich kränkliche und schwächliche Personen, so wie die unteren Klassen, welche häufiger als andere den Einflüssen der Witterung ausgesetzt waren, oder, wie die ersteren, aus Gesundheitsrücksichten ihr Haupt schützen wollten, welche die hutartige Kopfbedeckung trugen. Doch wird die Mehrzahl von ihnen gewiß Hüte gehabt haben, welche in bequemer und praktischer Form vielen der jetzt gebräuchlichen Hutarten weit überlegen waren, wenigstens bequemer als unsere berüchtigten und dennoch durch die Tyrannin Mode unentbehrlich gemachten unpraktischen sogenannten „Angströhre“, welche von den Orientalen nicht mit Unrecht mit Kochtöpfen verglichen werden, sind sie unbedenklich gewesen. Die Alten waren noch zu natürlich, um auf solche unnatürliche Körperverlängerungen zu denken, wie diese Glücklichen auch die Crinoline nicht kannten.

Bei den alten Griechen wird zuerst der Hut erwähnt und auch der Filzhut war dort bereits bekannt; man nannte ihn den thessalischen Hut, den besonders die Ephoren trugen. Dann folgten die Römer, welche den runden Hut bei hohen Festen, Schauspielen und bei Begehung heiliger Gebräuche trugen und bei denen zuletzt der Hut selbst das Zeichen der Freiheit wurde, denn die Sklaven erhielten bei ihrer Freilassung als Symbol einen Hut. Nach Cäsars Ermordung wurde dieses Freiheitszeichen selbst auf die Münzen gesetzt.

Dieses Zeichen wurde später von den Republiken nachgeahmt, zuerst von den Schweizern, den vereinigten Niederlanden, Venedig, Genua u.s.w. „Unter dem Hut der Freiheit leben wir,“ sagten die Republikaner.

Die Deutschen hielten sich lange Zeit von dem Hute fern, erst genügte ihnen ihr reiches blondes Haar, über welches sie, wenn es Noth that, einen Theil ihres Gewandes, oder ein Thierfell zogen, oder das sie im Kriege mit einem aus Weiden geflochtenen Helm bedeckten; dann folgte die einfache Kappe, endlich das mit Federn geschmückte Baret, zuletzt aber, im vierzehnten Jahrhundert, fand der Hut auch hier Eingang, und die ersten Hutmacher, damals „Huter“ genannt, von denen man weiß, befanden sich 1360 in Nürnberg. Von da kam der Hut nach Frankreich und England und verbreitete sich überall,

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/328&oldid=- (Version vom 9.3.2019)