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Die amerikanische Mühle und Brodfabrik von F. A. Ketzel an der Göltzschthalbrücke.


Unmittelbar an der Göltzschthalbrücke, an der Göltzsch und in romantischer Umgebung liegt das gewöhnlich unter dem Namen „Netzschkauer Mühle“ bekannte, gegenwärtig im Besitz des Herrn Friedrich August Ketzel sich befindende Etablissement, wo nicht nur die Müllerei, sondern auch die Brodbäckerei im Großen und fabrikmäßig betrieben werden, so daß von hier aus sowohl Brod als Mehl, die Haupterzeugnisse, in weitem Umkreis verführt werden. Die Nähe von vier Fabrikstädten, Netzschkau und Mylau, jede eine Viertelstunde, Reichenbach drei Viertelstunden, Greiz eine Stunde entfernt, befördern den Absatz der Produkte dieses Etablissements.

In der Müllerei und Bäckerei sind fortwährend 11 Personen beschäftigt.

An Gebäuden befinden sich hier

ein Hauptgebäude mit amerikanischer Mahlmühle, welche durch eine fünfzig Pferdekraft ausübende Wasserkraft in Bewegung gesetzt wird;
ein Hauptgebäude mit der Brodfabrik und
fünf Nebengebäude.

Hierzu gehören 30 Scheffel Garten, Feld und Wiesen.

Das Etablissement in seinem heutigen Umfange verdankt seine Entstehung Herrn Friedrich August Ketzel, welcher 1852 die amerikanische Mühle neu erbaute und 1857 die Brodfabrik einrichtete.

Noch verdient bemerkt zu werden, daß dieses Etablissement einen angenehmen Ruheplatz für die Besucher der vielbewunderten berühmten Göltzschthalbrücke bildet.

Wir benutzen diese Gelegenheit, Einiges über die Göltzschthalbrücke zu sagen, ein Bauwerk, welches an Großartigkeit wohl von keinem zweiten derartigen erreicht wird, und das man mit eigenen Augen sehen muß, um einen Begriff von der überwältigenden Größe des Werkes selbst zu erhalten, den weder Beschreibung noch Zahlenangaben deutlich genug zu geben im Stande sind. Man muß dieses Bauwerk nicht allein in der Nähe beschauen, denn z. B. an dem Fuß der Brücke läßt sich ein richtiger Begriff ihrer gewaltigen Höhe nicht gewinnen, da die noch viel collossalere Länge die erstere nicht so bedeutend erscheinen läßt.

Die Göltzschthalbrücke ist 1022¾ Ellen lang; die größte Höhe über der Sohle des neuen Göltzschbettes bei Pfeiler 17 beträgt 138⅞ Ellen, ein Höhe, welche nur wenige für bedeutend gehaltene Kirchthürme erreichen. Die Breite der Fahrbahn zwischen den Balustraden mißt 14 Ellen. Vier Stockwerke von Bogen sind übereinander gethürmt. Die größte Bogenspannung in der Mitte lag ursprünglich nicht im Bauplane, sondern wurde nöthig, weil es an dieser Stelle nicht möglich war, einen festen Grund für den Pfeiler zu finden.

Die erste Etage besteht aus 10 Pfeilern und zwar von Pfeiler Nr. 13 bis mit Nr. 22; die Etagenhöhe bei Pfeiler 17 über dem Göltzschbett beträgt 42¾ Ellen, die Höhe über dem Sockel 29 Ellen. Die Pfeilerstärke über dem Sockel beträgt bei Pfeiler 16 und 17 13½ Ellen, die lichte Weite zwischen je zwei gekuppelten Pfeilern 13 Ellen, die Spannung zwischen 16 und 17 ist 50½ Ellen über dem Sockel; die Stärke der übrigen Pfeiler beträgt 9½ Elle, die Spannung 21 Ellen; die Pfeilerbreite in der Etagenhöhe 37 Ellen 7 Zoll. Die Gründung, Sockel und Pfeiler bis zur Kämpferhöhe der Spannbogen, die Kämpfer, Bogenanfänge und Deckplatten sind von Granit oder Sandsteinen, die Strebemauern an den Landpfeilern von Bruchsteinen, alles übrige Mauerwerk ist von Ziegeln hergestellt.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/123&oldid=- (Version vom 9.3.2019)