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Stand ich unter deinem Fenster,
Bis der Morgentau mich netzte

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Und mich weckt’ aus süßen Träumen,

Trug zu mir manch liebes Wörtchen,
Rief mir zu: Du, oder Keine!


Sigmund Graf Krasinski.
Fünf Lieder.
1.

Wenn jäh der Tod in alle Winde streut
Mein Herz wie Asche, morgen oder heut,
Dein Lied mir laß erschallen durch die Luft,
Den Blick mir ruhn noch einmal auf der Gruft.

Wenn einst verwehte meine Spur auch dort,
Im Himmel droben ist mein Ruheport:
Dort suche mich in stiller Mondennacht,
Zur Stunde, da so oft ich dein gedacht.

Wenn du im Schatten dich des Parks ergehst,
Voll Wehmut betend vor der Laube stehst,
Starr wie ein Marmorbild – gedenke mein,
Bis ich im wachen Traume dir erschein’!

II.

Blickst du zum Mond, zum Meere, zum Vulkan,
Mein Geist wird auch von dort dir liebend nahn,
Als Stern, als Wog’ und Flamme sei’s, als – Laub,
So welk, als fiel dem Herbstwind es zum Raub.

Als Stern, als Woge, Flamm’ und Laub ich auch
Auf Erden irrt’ einst bis zum letzten Hauch –
Dir war ich alles, Woge, Flamm’ und Stern,
Den Menschen – nichts, im Lied unnahbar fern!

An ihren Tafeln saß ich nie zu Gast,
Was sie erfreut, war mir zum Tod verhaßt –
In deinen Augen fand ich Trost genug:
Du weißt, mein Gott, was ich im Herzen trug!

Dich liebt’ ich heiß, dich liebt’ ich einzig, dich,
Bis daß im Schmerz der Trennung ich – erblich,
Dich lieb’ ich ewig, dich, mein Element,
Drum mußt’ ich sterben, jäh von dir getrennt,

Empfohlene Zitierweise:
Albert Weiß: Polnische Dichtung in deutschem Gewande. Otto Hendel, Halle a. d. S. 1891, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Albert_Weiss_-_Polnische_Dichtung_in_deutschem_Gewande.pdf/76&oldid=- (Version vom 12.9.2022)