Für sein Seelenheil mich beten,
Beten innig heiß.
Laßt mich vor dem Traualtare
Still vorüberziehn
Nach dem Platze, mir gebührend,
Wo die – Witwen knien!
Wie lieb’ ich, graue Stunde, dich!
Wenn, nahst du mir allabendlich
Und spinnst mit mattem Dämmerschein
In bunte Träume still mich ein,
Zu Rüste geht.
Von Last und Hitze, Leid und Lust
Ermattet, schöpft die Menschenbrust
Tief Atem nach dem lauten Tag
Als schweb’ es leis in holdem Traum
Zum Himmelsraum.
Wie lieb’ ich, graue Stunde, dich!
Wenn Licht im Schatten kaum erblich,
Errötend, wie ein Mägdelein
In Hymens Schleier, lieberfüllt,
In Nebel hüllt.
Wie lieb’ ich dich, du Grenzgebiet,
Der Sonne, wie des Mondes Glanz –
Die eine, Licht und Leben ganz,
Dem andern beides still verleiht
Im Silberkleid.
An Glanz und Glut und Farben reich,
In jedes Herz die Hoffnung sprüht –
Erst wenn verlöschend sie verglüht,
Der Mond küßt wie Erinnerung
Albert Weiß: Polnische Dichtung in deutschem Gewande. Otto Hendel, Halle a. d. S. 1891, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Albert_Weiss_-_Polnische_Dichtung_in_deutschem_Gewande.pdf/62&oldid=- (Version vom 12.9.2022)