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Ach! vergebens stehn im Auge
Mit der Sehnsucht Thränen –
Blendwerk nur ist meine Sonne

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Und mein Glück nur – Wähnen!


Kornel Ujejski.
Der schwarze Shawl.

Wildtobend fragt ihr, süßen Weines voll,
Was mir der Dolch, von Rost gerötet soll,
Und was der schwarze Shawl, der mich umhüllt,
Von Tropfen Bluts korallenschwer erfüllt?!

Umringt mich, Serben! Doch eh’ ihr mir lauscht,
Den Becher füllt mir, bis auch ich berauscht
Als Meister in die Saiten greife dann
Und wirre Klänge gleiten lassen kann

Mir in die Seele, die der Wahnsinn quält,
Daß sie nicht fasse, was mein Lied erzählt. –
Sein Haupt herab zum Pfühl von Seide sinkt,
Den Becher leert er, eh’ sein Lied erklingt;

Schmerzlindernd klingt es und so schmelzend weich,
Als stamm’ es droben aus dem Himmelreich:
„Noch seh’ ich’s, wie gleich Schaum auf Silberflut
Ihr Schwanenbusen wogt und wieder ruht,

Noch seh’ ich’s, wie ihr strahlend Augenpaar,
Umflutet rabenschwarz das Lockenhaar...
Ich weilt’ als unzertrennlicher Genoß
Mit ihr vereint auf hohem Felsenschloß ...

Sie war mein Trost und Heil, mein Sehnen all’
Und wie die Möve nach dem Wogenschwall,
so zog’s – nach Liebe lechzt’ ich! – mich zu ihr!
Wie die Erinn’rung an das Siegspanier,

Das auf Semlin nach blut’gem Waffentanz
Ich strahlend aufgehißt im Ruhmesglanz,
Mir, teurer war sie, als der Kamerad,
Der einst für mich dem Tod entgegentrat!..

Ha’ Tod und Hölle! Lindert mir die Pein!
Füllt mir den Becher! Schafft mir Trost im Wein!
Heiducken! Fässer aus dem Keller rollt!...
Ihr wundert euch, das meine Seele grollt?..

Empfohlene Zitierweise:
Albert Weiß: Polnische Dichtung in deutschem Gewande. Otto Hendel, Halle a. d. S. 1891, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Albert_Weiss_-_Polnische_Dichtung_in_deutschem_Gewande.pdf/131&oldid=- (Version vom 12.9.2022)