Naht ein Bursch ihr, der, nicht blöd’,
Ahnte längst, daß sie nicht spröd’,
Grüßt sie, dreht sich keck den Bart
Und, sie dankt nach Mädchenart –
Kroch der Schelm schon durch den Zaun.
Flugs ihr Antlitz sie verbarg:
„Halt! Das ist mir doch zu arg;
Was die Mutter denken muß!
Wer kann solchem Schelme trau’n?
„Laß mich los! Marsch! Durch den Zaun!“ –
Still der Bursch gehorchen muß;
Warum raubt er ihr den Kuß!
Gänseblümchen auf der Flur,
Steht sie stundenlang am Zaun,
Sich ein wenig umzuschau’n.
Ist das nicht das alte Lied,
Kroch ein Kätzchen durch den Zaun,
Sich ein wenig umzuschau’n. …
Hinter’m Berge geht die Sonne
Schlafen bis zum Morgen –
Unter’m Strohdach in der Heimat
Wär’ auch ich geborgen.
schließt sich jede Pforte:
Niemand spendet ihm ein Lächeln,
Niemand Trostesworte.
Hinter’m Berge geht die Sonne
Bis sie weckt der Chor der Sänger,
Tief im Laub verborgen –
Wird die Sonne jemals scheinen
Mir am Wanderstabe?
Eh’ ich ruh’ im – Grabe?
Albert Weiß: Polnische Dichtung in deutschem Gewande. Otto Hendel, Halle a. d. S. 1891, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Albert_Weiss_-_Polnische_Dichtung_in_deutschem_Gewande.pdf/130&oldid=- (Version vom 17.5.2022)