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der Herr der Kirche dem lautren, reinen Evangelium wiederum die Bahn gebrochen, aber auch unter wie viel Leiden und Kämpfen! Welch’ eine Mahnung für uns zur Treue! Wir schwören aber weder auf Luther noch Melanchthon. Weder sie noch ihr Werk war fehlerlos. Das Höchste, das Erste und Letzte ist uns das ewige Wort Gottes, ist uns der Herr, vor welchem sich in Demut beugen alle treuen Zeugen durch alle Jahrhunderte und bald Jahrtausende, vor dem auch Luther und Melanchthon, die zu den größten aller Zeiten gehören, in Demut standen, dessen Werkzeuge sie allein zum Baue seines ewigen Reichs sein wollten.

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 Bleiben wir treu und fest im Glauben! Lernen wir von Melanchthon und auch Luther, daß der Glaube nach seinem letzten Motiv, nach seinem Entstehungsgrunde etwas durch und durch Ethisches, nicht äußere Unterwerfung, nicht bloß ein geschichtliches Fürwahrhalten ist, wohl aber eine innere Entscheidung aus tief innerem Bedürfnis, ein felsenfestes Vertrauen gegenüber der übernatürlich gewirkten Thatsache des Christentums, der wunderbaren Erscheinung der erlösenden Liebe Gottes in unserem Herrn und Heiland Jesu Christo. Ich kenne die Gegensätze unserer Zeit. Ich weiß aber auch, daß hier zu Lande, daß in dieser Stadt die wenigsten mit Glaube und Religion brechen wollen. Ich weiß, daß es in der Kirche aller Zeiten verschiedene Glaubensstufen gegeben: „bis wir alle hinan kommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes“, sagt selbst der hohe Apostel. Wir wissen auch, daß der ethische Geist des Protestantismus oft genug noch da nachwirkt, wo man in die Fülle und Tiefe evangelischen Christentums noch nicht eingedrungen ist. Wir weisen Niemand zurück, der auch nur mit leisestem Zuge noch an seinem Gott und Heiland hängt. Aber die Gemeinschaft steht über dem Einzelnen, die Kirche über dem einzelnen Gemeindeglied. In dem Maße als die Kirche aufhört bekennende Gemeinschaft zu sein, hört sie auch auf Kirche im vollen Sinne zu sein. Wir haben ein gutes Bekenntnis, abgelegt vor vielen Zeugen, das nach dieser Stadt zu ihrer bleibenden Ehre und ihrem dauernden Schmuck genannt ist; es ist in seinem Kerne unwiderlegt und wird unwiderlegt bleiben bis an’s Ende der Tage. Wir Diener der Kirche können und

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Adolf von Stählin: Philipp Melanchthon. J. A. Schlosser, Augsburg 1897, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Philipp_Melanchthon.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)