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sein? und hat dann doch einen Brief an ihn geschrieben, der ebenso, ja vielleicht noch mehr zu beklagen ist, als der bekannte Brief an Carlowitz. Melanchthon stand felsenfest auf den altchristlichen Bekenntnissen, unerschüttert auf dem Bekenntnis des Evangeliums. Aber in eines konnte er sich nicht finden: die Auflösung der bestehenden Kirchenverfassung. Er fürchtete hievon die größte Zerrüttung der Kirche, die Übermacht der Fürstengewalt in ihr, die äußerste Zersplitterung derselben. Im Zusammenhang hiemit stand seine große Vorliebe für die reichen Formen und Sinnbilder des bisherigen Gottesdienstes, die er sich unwillkürlich idealisirte. Seine Annahme der Vereinbarkeit des Evangeliums mit dem bisherigen äußeren Kirchenbestande, wenn auch nur nach menschlichem Recht, war ein Irrtum; hier sah Luther weit klarer, als Melanchthon, wenn er auch früher hie und da eine ähnliche Anschauung kundgegeben hatte. Jene Ansicht enthält einen tiefen, innern, sachlichen Widerspruch, und deshalb war Melanchthon’s Verhalten öfters auch ein persönlich widerspruchvolles. Ganz besonders trat dies bei den Verhandlungen über das sogenannte Interim hervor.

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 Der Reichstag von Augsburg brachte keine Vereinbarung zu stande. Der Versuch, das Augsburger Bekenntnis zu widerlegen, mußte mißglücken. Melanchthon schrieb dagegen die Apologie der Augsburger Konfession, ebenfalls eine meisterhafte, herrliche Schrift, ausgezeichnet durch hohe Klarheit und wohlthuendste Glaubenswärme. Sie ist gleichfalls unter die Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche aufgenommen worden. Die Not der Zeit ließ es nun aber zu immer neuen Friedensverhandlungen kommen. Endlich sollte aber doch das Schwert zwischen dem Kaiser und den Protestanten entscheiden. Es entschied zunächst gegen sie, in der Schlacht bei Mühlberg siegte der Kaiser, die Häupter des schmalkaldischen Bundes, zu dem die Evangelischen sich vereinigt hatten, wurden gefangen genommen; die politische Macht des Bundes schien für immer gebrochen. Der Kaiser ließ nun eine Vergleichsformel zur Einigung von Katholiken und Protestanten aufstellen, das Augsburger Interim, das dann zum Leipziger Interim gemildert wurde. Melanchthon widerstand dem ersteren, der Kaiser verlangte seine Auslieferung; letzteres anzunehmen, ließ er sich endlich bewegen.

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Adolf von Stählin: Philipp Melanchthon. J. A. Schlosser, Augsburg 1897, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Philipp_Melanchthon.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)