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Der Kommissär fragte Madame Roland, ob sie wünsche, dass man die Vorhänge an der Wagentür zuziehe, worauf sie ihm antwortete: „Nein, mein Herr, die Unschuld, möge sie auch noch so unterdrückt sein, nimmt nie die Haltung der Schuldigen an. Ich fürchte keines Menschen Blicke, ich will mich keinem entziehen.“ Der Kommissär fand, dass sie mehr Mut habe als viele Männer, und dass sie ruhig die Gerechtigkeit abwarten solle. „Wenn Gerechtigkeit geübt würde, wäre ich gegenwärtig nicht in Ihrer Gewalt, aber ein äusserst ungerechtes Verfahren wird mich aufs Schafott führen, das ich fest und ruhig besteigen werde, gerade so, wie ich mich auch ins Gefängnis begebe. Ich seufze über mein Vaterland, ich bedauere den Irrtum, es für die Freiheit und das Glück für reif gehalten zu haben. Ich schätze das Leben, ich habe nie etwas anderes als das Verbrechen gefürchtet, ich verachte die Ungerechtigkeit und sehe dem Tod kalt ins Auge,“ sagte sie zu diesem armseligen Kommissär, der nicht viel von dieser Sprache verstand und sie wohl für eine „aristokratische“ hielt.

Endlich langte man vor der Abbaye an, dem Schauplatze der berüchtigten blutigen Auftritte. Madame Roland wurde zuerst in ein finsteres, kleines Zimmer geführt, wo sechs Feldbetten standen, auf denen ebenso viele Männer lagen. Als man die Gefängnispforte geöffnet hatte, erhoben sich die Leute, es entstand eine Bewegung, worauf die Begleiter Madame Roland über eine schmale, unreine Treppe führten. Man gelangte in die Wohnung des Kerkermeisters. Madame Roland wurde in eine Art kleinen Salon geführt, der ziemlich reinlich war, man bot ihr einen gepolsterten Lehnstuhl zum Sitzen an. Madame Roland fragte die gutmütig aussehende Frau des Kerkermeisters nach dem Zimmer, das für sie angewiesen wurde. Die Frau versicherte, dass sie nicht von Madame Rolands Kommen unterrichtet worden sei, dass sie deshalb noch nichts hergerichtet habe, dass sie aber inzwischen bei ihr bleiben könne.

Es wurden sehr strenge Verhaltungsmassregeln für