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und Gedanken, die sie noch unbewusst zur Republikanerin machten.

Telemach und Tassos „Befreites Jerusalem“ kamen etwas störend zwischen drein in die grossen Spuren, auf denen Manon wandelte. Der rührende Fénélon bewegte ihr Herz und Tasso entzündete ihre Phantasie. Hie und da musste sie ihrer Mutter vorlesen, aber sie tat es nicht gerne, da sie dadurch aus ihrer Sammlung gerissen wurde und nicht wie sonst bei den schönen Stellen nach Belieben verweilen konnte. Wenn sie für sich las, versank die wirkliche Welt um sie her, und sie war bald Eucharis von Telemach, bald die Erminia für Tankred! Sie sah nur mehr die Gestalten, und die Dinge um sie verwandelten sich auch in die geschilderte Umgebung. Es war ein Traum ohne Erwachen.

Nach dieser Zeit kam Voltaire an die Reihe. Eines Tages sassen einige alte Damen bei ihrer Mutter und spielten Piquet. Manon sass in einem Winkel des Zimmers und las „Candide“; als ihre Mutter für einige Augenblicke das Zimmer verlassen hatte, rief eine der alten Damen das Kind zu sich heran, und bat es, ihr das Buch zu zeigen, worin es eben las. Dann wandte sie sich an Frau Phlipon, die wieder ins Zimmer trat, und drückte ihr ihr Erstaunen über Manons Lektüre aus. Ohne ihr zu antworten, sagte Frau Phlipon zu ihrer Tochter, sie solle das Buch wieder hinstellen, wo sie es genommen habe. Die kleine, alte, dicke, wichtigtuende Frau bekam seither keinen freundlichen Blick wieder von Manon. Aber die gute, kluge Frau Phlipon änderte gar nichts in ihrer Auffassung und liess ihre Tochter weiter alles lesen, was ihr in die Hand kam und tat als sähe sie es nicht, trotzdem sie alles sehr genau wusste.

Uebrigens gab es gar keine unsittlichen Bücher im Hause, und so kam nichts Verderbliches in die Hände des wissbegierigen Kindes.

Herr Phlipon beschenkte seine Tochter fast ausschliesslich mit Büchern. Aber er war in der Wahl nicht