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sie ungemein vernünftig, verständig, ernst, so wie es die Frauen ihrer Heimat sind. Nimmt sie ihr Los leicht? Durchaus nicht, nur ist nichts von falschem Heroismus in ihr. Man muss bedenken, dass sie bloss eine halbe Stunde von der schrecklichen Feuerprobe trennte.

Sie hat aschblonde Haare, sie trägt ein weisses Häubchen und ein weisses Kleid. In ihren Augen liegt ein Ausdruck des Zweifels und der Traurigkeit. Dem Stärksten mögen, so entschlossen er auch immer sei, im letzten Augenblick fremdartige Zweifel aufsteigen. Wenn man genau in ihre traurigen und sanften Augen blickt, fühlt man noch etwas, das vielleicht ihr ganzes Schicksal erklärt: Sie war immer einsam gewesen! Ja, das ist das einzige wenig Zuversichtliche, das man in ihr findet. In diesem entzückenden, guten Wesen war jene unheilvolle Macht, der Dämon der Einsamkeit.

Sie hatte das Unglück ihre Mutter zu verlieren, als sie noch ein Kind war, sie wuchs ohne mütterliche Liebkosung auf. In Wahrheit hatte sie auch eigentlich keinen Vater, denn der ihre, ein armer Landedelmann, ein romantischer Kopf voller Utopien, der gegen den Gewaltmissbrauch der Adeligen schrieb, kümmerte sich viel um seine Bücher und wenig um seine Kinder. Mit dreizehn Jahren kam sie in die Abtei der Damen von Caen. Das Kloster lag sehr einsam, man hörte hier nur das Gekrächze der Raben und das Heulen des Windes, der um die Türme strich. Wie einsam sie auch dort war, kann man sich leicht vorstellen, wenn man weiss, wie die Reichen die Armen verachten, auch in jenen frommen Zufluchtsorten, die die geweihten Stätten der christlichen Gleichheit sein sollten. Die Seele der jungen Charlotte suchte ihre erste Zuflucht in der Frömmigkeit und der Freundschaft, die sie für zwei andere arme, adelige Mädchen empfand. Im Sprechzimmer der Aebtissin kam oft Gesellschaft zusammen, wohin auch junge Männer aus der Aristokratie Zutritt hatten; die Seichtheit dieser Leute trug noch überdies dazu bei, Charlotte zu